Cosm
das für Folgen hat, mögen andere ergründen. Wir werden uns weiterhin damit begnügen, mit aller Sorgfalt das Phänomen an sich zu erforschen.«
Damit verließ sie das Podium und war aufrichtig überrascht, wie stürmisch man ihr applaudierte. Doch als der Beifall sich legte, sah sie im Hintergrund Transparente mit Zitaten aus der Bibel und aus dem Koran, und Hohngelächter und wütende Schreie verfolgten sie bis ins Innere des Physikgebäudes.
8 »Ich habe keine Lust zum Ausgehen.«
»Du mußt aber.«
»Warum?«
»Um aus deiner Berühmtheit Kapital zu schlagen«, erklärte Jill.
»Pfui Teufel.«
»Außerdem hast du schon Spinnweben im Hirn, Dummchen.«
»Hmmm.« Alicia streckte sich auf ihrem Sofa aus. Durch das geöffnete Fenster war das Rauschen des Meeres zu hören. Wie beruhigend. Vielleicht ein langer Spaziergang am Strand …
»Von den Spinnweben an anderen Stellen ganz zu schweigen.«
»Uff, ein Tiefschlag.«
»Ich kann deine Eierstöcke von hier aus schrumpeln hören.«
»He, mir ist einfach nach Rumhängen. Warum seh’n wir uns nicht eine von diesen Sitcoms an, du weißt schon, mittelmäßige Pointen von klapperdürren Frauen mit großen, straffen Titten und einem Apartment in einer supertollen Stadt?«
»Klar, und stopfen uns dabei mit Popcorn und Schokolade voll.« Jill schnitt eine schaurige Grimasse. Sie hatte wie üblich das Türschloß geknackt und bereits gewartet, als Alicia nach Hause kam.
»Hör mal, ich war gestern abend gleich nach dem Präsidentenbesuch auf dem Empfang des Kanzlers, und heute habe ich ohne Pause im Labor geschuftet …«
»Ich habe dich schon vor drei Wochen angemeldet.«
»Gegen meinen Willen.«
»Und zwanzig Dollar investiert, damit du irgendwann Großmutter wirst.«
Alicia wußte sich nicht mehr zu helfen und lächelte. »Damit ich wieder einen Kerl kennenlerne, der verführerisch mit der Zunge wedelt?«
»He, das war ein einziges Mal, und der Typ hatte ‘nen Jogginganzug an.«
»Die kommen wieder in Mode, hat er gesagt.«
»Um so besser.« Jill schob sie ins Schlafzimmer und riß den Schrank auf. »Jetzt wissen wir wenigstens, woran man die Typen erkennt. Mein Gott, wann warst du eigentlich das letzte Mal einkaufen?«
»Wer hat dazu schon Zeit?«
»Und andere lästige Dinge wie Essen und Schlafen vergißt du inzwischen offenbar auch.«
»In letzter Zeit lebe ich nach dem Motto: ›Ich halte durch, also bin ich.‹«
»Wahr, aber traurig. Bei mir heißt es eher: ›Ich flirte, also bin ich.‹«
Jetzt konnte Alicia die Brandung jenseits des Pacific Coast Highway nicht mehr hören. Vielleicht war das ein Zeichen; ihre Welt war geschrumpft, sie war nur noch mit sich selbst beschäftigt. Entsetzt erkannte sie, daß der Wunsch, unter Menschen zu gehen, vollkommen abstrakt war, in Wirklichkeit hatte sie nicht die geringste Lust dazu. Wie kam das? Max war in der UCI geblieben, um an einer Idee zu arbeiten, über die er nicht sprechen wollte, noch nicht jedenfalls.
»Kommst du jetzt?« beharrte Jill.
»Was bleibt mir denn übrig?«
Die Fete, zu der Jill sie schleppen wollte, fand landeinwärts statt, irgendwo in den Außenbezirken einer Ortschaft, die sich Lake Forest nannte, obwohl es dort weder einen See noch einen Wald gab. Sie fuhren an neonbeleuchteten Einkaufszentren und an ›Apartmentdörfern‹ vorbei, die man rüde neben eine Wüste aus standardisierten Elektronikfabriken und gesichtsloser Industrieparkarchitektur mit schrägen Dächern und fensterlosen Metallfronten geklatscht hatte, und die sich nun duckten, als schämten sie sich. Beigefarbene, stuckverzierte Reihenhäuser hockten wie große Ameisenhaufen auf diesem sonnenverbrannten Linoleumland.
Alicia konnte sich noch immer nicht entscheiden, was sie sich anstelle des Miata, den die Entführer zu Schrott gefahren hatten, für einen Wagen zulegen sollte, und behalf sich vorübergehend mit einem Leihwagen. Doch den hatte Jill nur naserümpfend angesehen und lieber ihre ›tolle Kiste‹ genommen. Nun fuhren die beiden unter einem flatternden, staubverkrusteten Transparent mit der Aufschrift JETZT zu VERMIETEN hindurch, an einer rissigen Betontreppe mit wackeligem Geländer vorbei und in eine Tiefgarage, deren Einfahrt von einer Reihe blanker Stahlzähne bewacht wurde. Der Empfang fand in einer ›Suite‹ des Appartementkomplexes statt. Die Räume waren bewußt kahl gehalten, so daß jeder Schritt widerhallte, weder Bilder noch Bücher schmückten die Wände, und in den offenen
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