Cosm
hatte gebeten, nicht gestört zu werden, ging aber jede Stunde einmal hinüber und sah nach, ob sie bei ihrer quälend eintönigen Beschäftigung Hilfe brauchten.
Ob sie versuchen sollte, die Kugel mit einem Laser aufzuschneiden? Dazu wäre ein ziemlich starker Lasererforderlich, und den hierherzuschaffen und aufzustellen, wäre eine Großaktion, die Aufmerksamkeit erregen würde. Wer hatte überhaupt einen großen Laser? Toborek? Bron? Nein, viel zu umständlich und zu riskant.
Und wenn sie einen Metallurgen zuzog? Wozu sollte das gut sein, es sei denn, das Ding war aus Metall, und das hatte sie bereits instinktiv ausgeschlossen. Außerdem konnte man auch damit Gerüchte in die Welt setzen.
Nur um irgend etwas zu tun, holte sie sich den schwachen Mehrzwecklaser, der im Saal stand, setzte ein paar einfache Linsen davor und richtete ihn auf die Kugel. Dann ließ sie den Strahl auf einen glatten, weißen Schirm fallen, den sie sich aus der Plastikrückwand einer Versandkiste des Core-Systems gebastelt hatte.
Es dauerte eine Weile, bis alles richtig eingestellt war und der Schirm sich zwischen den Magnetpolen und dicht an der Kugel befand. Als sie den Strahl nun in spitzem Winkel auf die Oberfläche richtete, tanzte auf der weißen Fläche ein wunderschöner, scharfer, rubinroter Punkt von einem Millimeter Durchmesser.
Nun veränderte sie den Winkel so, daß der Strahl den rechten Kugelrand gerade noch streifte. Der Punkt auf dem Schirm zog sich auseinander und wurde zu einer Ellipse von mehreren Zentimetern Länge.
»Hmm?« murmelte sie überrascht. Sie spielte noch eine Weile an den Einstellungen herum, aber eigentlich konnte sie nichts falsch gemacht haben.
Trotzdem konnte da etwas nicht stimmen. Der gewölbte Rand müßte das Licht streuen, so daß auf dem wenige Zentimeter von der Kugel entfernten Schirm ein verschwommener Fleck entstand, der aber keinesfalls so breit sein durfte wie diese Ellipse. Eine Ellipse dieser Breite bedeutete, daß der Strahl nicht nur reflektiert, sondern auch gebrochen wurde.
Alicia verzog das Gesicht. Die Schlußfolgerung sagteihr nicht zu. Letztlich bedeutete das, daß der Laserstrahl ein Stück weit in die Kugel eindrang und nach außen gebrochen wurde.
Sie dachte sich einen weiteren Test aus, schob von links ein Holzlineal in den Laserstrahl und beobachtete dabei die Ellipse. Von rechts kroch eine schwarze Linie über den Schirm.
»Links ist die Brechung am stärksten«, flüsterte sie.
Das Licht vom linken Rand des scharfen Laserstrahls drang tiefer … – in die Kugel? – ein und wurde so stark gebrochen, daß es auf der rechten Seite des Flecks herauskam. Durch die Brechung wurden links und rechts vertauscht.
Das Ding reflektierte also das Licht, aber es brach es auch proportional zur Tiefe des Eindringens. Das ergab keinen Sinn. Wieso überhaupt eindringen? Die Kugeloberfläche sah aus wie ein harter Metallspiegel. Wie eine einzige Schicht, die das Licht zurückwarf. Aber der Brechungseffekt zeigte ganz deutlich, daß das Licht in verschiedene Schichten mit unterschiedlichem Brechungsindex vordrang.
Sie hatte Kopfschmerzen, aber nicht vom Nachdenken, sondern weil sie zu angestrengt in den Laserstrahl gestarrt hatte. Und ihr Gehirn sträubte sich, den Gedankengang fortzusetzen. Vom anderen Teil des Saals, wo die Studenten eifrig das neue Core-Element zusammenbauten, rief Brad Douglas nach ihr. Es ging um irgendein Bauteil, das er nicht finden konnte.
Froh um die Ablenkung, ging sie zu ihm hinüber. Werden die Zweifel zu groß, dann überlasse man das Problem für eine Weile dem Unterbewußtsein.
4 Am Ende der Physik 3-B-Vorlesung fiel Alicias Blick auf das Lehrbuch, und während die Studenten den halbrunden Hörsaal mit den ansteigendenBankreihen verließen, blätterte sie darin. Sie blieb immer ein paar Minuten vorne stehen, anstatt sich mit den jungen Leuten durch die engen Türen zu drängen, und bot ihnen damit eine unverfängliche Gelegenheit, ihr Fragen zu stellen; einige, besonders die Asiaten, waren hoffnungslos schüchtern und wagten sich nicht in die Sprechstunden.
Sie nützte die Vorlesung dazu, das Material aus ihrem eigenen Blickwinkel zu präsentieren, und setzte voraus, daß die Studenten das Lehrbuch gelesen hatten und dessen Sicht kannten. Damit hatte sie, wie sollte es anders sein, immer die Partei gegen sich, die den Stoff in den Vorlesungen genau so und nicht anders hören wollte, wie sie ihn sich angelesen hatte, nur zusätzlich mit
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