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Cosm

Cosm

Titel: Cosm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory Benford
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faustdicken Hinweisen auf die Prüfungsfragen angereichert. Am liebsten waren ihr natürlich die Studenten, die schon ein gewisses Interesse für Physik mitbrachten, denn sie gaben ihr die Möglichkeit, etwas von der würdevollen Schlichtheit und Eleganz dieser Wissenschaft aufscheinen zu lassen.
    Im Lehrbuch waren viele Schwarzweiß-Fotos bekannter Physiker abgedruckt, fast durchweg Portraitaufnahmen, die nur Kopf und Schultern zeigten. Meist trugen die großen Männer Jackett und Krawatte und blickten versonnen ins Leere. Nur Richard Feynman und Einstein wirkten etwas natürlicher. Feynman spielte auf seinen Bongotrommeln, und Einstein trug ein Sweatshirt und blickte traurig unter der wirren Mähne hervor. Große Männer – sie dachte nicht Große Weiße Männer – herausgelöst aus ihrer Zeit, ihrer Umgebung, ihren Prämissen. Wobei die Darstellung natürlich selbst von einer Prämisse ausging, von der Prämisse der reinen Physik nämlich, die hoch über dem brodelnden Sumpf der Kulturen schwebte.
    Aber vielleicht war es auch mehr als das. Sie selbst hatte sich ursprünglich nicht zuletzt deshalb für diePhysik begeistert, weil sie hoffte, die Menschheit könnte sich irgendwann dazu aufschwingen, das Jammertal ihrer ewigen Kämpfe und Begierden hinter sich zu lassen und sich an der reinen, von rassischen und sprachlichen Verzerrungen ungetrübten Schönheit der Wissenschaft zu erfreuen. Das waren die Visionen, die von großen Geistern gesponnen und an das Fußvolk weitergegeben wurden.
    Alicia gab sich nicht der Illusion hin, dereinst eine Säule der Wissenschaft vom Kaliber eines Einstein, Faraday oder Fermi zu werden. Für jeden Physiker kam irgendwann der Zeitpunkt, zu dem er erkennen mußte, daß ihm im großen Drama der Wissenschaft eher eine Statisten-, als eine Hauptrolle beschieden war. Dennoch überlief sie bei dem Gedanken, vom Hörsaal geradewegs in ihr Labor gehen zu können, ein wohliges Kribbeln. Verwaltungsarbeiten und Korrekturen konnten warten; Physikerin war sie schließlich genau wegen dieser Momente geworden, wenn ihr das Jagdfieber das Blut zum Sieden brachte.
    Kein einziger Student war mit irgendwelchen Fragen zu ihr gekommen; sie stürmten lieber davon, um den Stoff auswendig zu lernen. Energisch schlug sie das Lehrbuch zu, sammelte ihre Folien ein und begab sich in ihr Labor.
    Zak hatte ihre Anweisungen vom Vortag bereits ausgeführt und bei verschiedenen Kollegen eine ganze Schar von Photodetektoren zusammengeborgt. Seit die Mittel immer knapper wurden, wurde bei Neuanschaffungen an allen Ecken und Enden gespart. Jeder schnorrte, wo er nur konnte. Als sie sich die Geräte ansah, stellte sie fest, daß sie mit Geldern der Air Force, der National Science Foundation, der Marine, des Wirtschaftsministeriums und der NASA finanziert worden waren. Ob diese Institutionen wohl wußten, in welchen Kanälen ihre Dollars versickerten? Klar doch. Sie machten nur beide Augen zu. Nur Senatoren und besondersschlichte Gemüter glaubten noch daran, daß die Wissenschaft sich fein säuberlich auf Schubladen verteilen ließ.
    Mit Zaks Hilfe brachte sie die letzten Photodetektoren in Position und schloß sie an die Computer an. Zunächst wollten sie die Eigenschaften des von der Kugel reflektierten Lichts studieren, um danach im Dunkeln nach Emissionen zu suchen. Um die Kugel dazu nicht in einen anderen Raum bringen zu müssen, sollten alle Lichter gelöscht und Kugel und Magnet mit einer Haube aus lichtundurchlässigem Stoff verhüllt werden. Da die Diplomanden gewöhnlich erst am Nachmittag kamen, war der Vormittag dafür am günstigsten. Bevor sie jedoch anfangen konnten, klingelte das Telefon. Alicia hätte sich am liebsten taub gestellt, nahm aber doch ab. Ihre Sekretärin hätte sie sicher nicht gestört, wenn es nicht wichtig gewesen wäre.
    »Alicia? Hier Hugh Alcott, Brookhaven.«
    »Ach? Ja, bitte.« Sie war starr vor Schreck.
    »Wir haben den Unfall noch einmal rekonstruiert. Und nun wollten wir Sie fragen, ob Sie Ihrer Aussage noch etwas hinzufügen möchten.«
    »Inwiefern?«
    »Ich denke etwa an die angefallenen Trümmer.«
    »Ich glaube nicht.«
    »Jedenfalls möchte ich Sie um eine Darstellung der ganzen Sache, des ganzen Vorfalls bitten, und zwar in schriftlicher Form.«
    »Ich dachte, Sie hätten die Anhörung vor dem Sicherheitsausschuß mitgeschnitten.«
    »In einem solchen Fall muß einfach alles bis aufs I-Tüpfelchen stimmen.«
    »Warum?«
    Er stutzte, als sei er überrascht. Sie

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