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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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kannst dich dafür entscheiden. Du hast für unsere Investoren Großartiges geleistet, sowohl auf starken wie auf kabbeligen Märkten. Die meisten Vermögensverwalter neigen dazu, den Markt zu unterspielen. Du schaffst es, ihn ständig auszuspielen, und du hast dich nie vom Ansturm der Massen beeinflussen lassen. Das ist eine deiner Begabungen.«
    Er hörte nicht zu. Er sah an ihr vorbei zu einer Gestalt vor dem Geldautomaten der israelischen Bank an der Nordostecke, einem schmächtigen Mann, der sich in den Bart murmelte.
    »Wir haben profitiert, wir haben floriert, als andere Fonds schon ins Stolpern geraten sind«, sagte sie. »Ja, der Yen wird fallen. Ich glaube nicht, dass der Yen noch weiter steigen kann. Aber bis es dazu kommt, musst du zurückfahren. Dich zurückziehen. Ich berate dich in dieser Angelegenheit nicht nur als deine Finanzchefin, sondern auch als eine Frau, die immer noch mit ihren Ehemännern verheiratet wäre, wenn die es geschafft hätten, sie so anzuschauen, wie du mich hier und heute angeschaut hast.«
    Er schaute sie jetzt gerade nicht an. Sie schloss die Tür und lief nun auf der Fifth Avenue nordwärts, vorbei an dem schäbigen Mann vor dem Geldautomaten. Irgendetwas an ihm war Eric vertraut. Nicht seine Khakifeldjacke und nicht sein Haar wie aus dem Reißwolf. Vielleicht sein Buckel. Aber Eric war es egal, ob er ihn mal gekannt hatte. Es gab viele Leute, die er mal gekannt hatte. Ein paar waren tot, andere im unfreiwilligen Ruhestand, die verbrachten ruhige Zeit allein auf ihren Klos oder spazierten mit ihren dreibeinigen Hunden durch den Wald.
    Er dachte über Geldautomaten nach. Genauer gesagt, über das Abkürzungswort für sie, ATM. Es stand für »automated teller machines«, automatische Kassierermaschinen. Der Begriff war veraltet und von seiner eigenen historischen Erinnerung belastet. Er funktionierte kontraproduktiv, weil er dem Rückschluss auf konfuses menschliches Personal und ruckartig bewegliche Maschinenteile nicht entfliehen konnte. Der Begriff gehörte zu dem Prozess, den der Apparat eigentlich ersetzen sollte. Er war antifuturistisch, so schwerfällig und mechanisch, dass selbst die Abkürzung altmodisch wirkte.
    Ingram klappte den Untersuchungstisch in den Einbauschrank zurück. Er packte seinen Tornister zusammen und ging hinaus, sah nur kurz zurück auf Eric. Er stand unbeweglich da, nur etwa einen Meter weg, aber schon in der Menge verloren, vergessen sogar, als er mit aufgerissenen Augen und eingeübter Distanziertheit in der Stimme sprach. »Ihre Prostata ist asymmetrisch«, sagte er.

Benno Levins Bekenntnisse
    NACHT
    Er ist tot, Wort für Wort. Ich habe ihn umgedreht und angeschaut. Seine Augen waren barmherzigerweise geschlossen. Aber was hat Barmherzigkeit damit zu tun? Ein kurzer Laut kam aus seiner Kehle, ich könnte Wochen mit dem Versuch verbringen, den zu beschreiben. Aber wie macht man aus Lauten Wörter? Das sind zwei unverbundene Systeme, die wir kläglich zu verknüpfen suchen.
    Das klingt ganz nach ihm. Ich plappere wohl wieder seine Worte nach. Denn ich bin sicher, dass er es einmal gesagt hat, als er an meinem Arbeitsplatz vorbeikam, zu demjenigen, der ihn begleitete, über irgendwas. Spiegel und Bilder. Oder Sex und Liebe. Das sind zwei unverbundene Systeme, die wir kläglich zu verknüpfen suchen.
    Gestatten Sie, dass ich für mich selbst spreche. Ich hatte einen Job und eine Familie. Ich gab mir Mühe mit dem Lieben und Versorgen. Wie viele von Ihnen kennen die wahre und bittere Kraft dieses einfachen Wörtchens versorgen? Es hieß immer, ich sei unberechenbar. Er ist unberechenbar. Er hat Probleme mit seiner Persönlichkeit und mit der Hygiene. Er geht, ach, egal, komisch halt. Solche Bemerkungen habe ich zwar nie gehört, aber ich wusste, sie wurden gemacht, so wie man einem Menschen äußerlich etwas anmerkt, das nicht ausgesprochen werden muss.
    Ich habe per Telefon eine Drohung abgesetzt, an die ich selbst nicht glaubte. Sie fanden sie glaubwürdig, das mussten sie, das wusste ich, dank meiner Kenntnis von Firma und Personal. Aber ich wusste nicht, wie ich ihn aufspüren konnte. Er bewegte sich planlos durch die Stadt. Er hatte eine bewaffnete Eskorte. Er lebte in einem Haus, das für mich in meiner zurzeit zufallsgenerierten Kleidung nicht zugänglich war. Und ich akzeptierte das. Selbst in der Firma war es nicht leicht, sein Büro zu finden. Es wechselte die ganze Zeit. Oder er räumte es, um woanders zu arbeiten oder um dort zu

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