Cosmopolis
wummernden Kreissägenmaschine auseinander. Dann fügt man ein Segment hinzu, wodurch das Chassis um drei bis dreieinhalb Meter verlängert wird. In welchem gewünschten Ausmaß auch immer. Sechseinhalb Meter, wenn du willst. Während das mit meinem Wagen gemacht wurde, habe ich Bescheid gesagt, dass sie es proustifizieren sollten, mit Kork gegen den Straßenlärm auskleiden.«
»Das ist aber hübsch. Das gefällt mir sehr.«
Sie redeten, sie kuschelten sich zärtlich aneinander. Er sagte sich, dass das seine Frau war.
»Das Fahrzeug ist natürlich gepanzert. Das hat die Korkauskleidung verkompliziert. Aber sie haben es am Ende geschafft. Es ist symbolisch. Typisch Mann.«
»Hat es funktioniert?«
»Wie konnte es funktionieren? Nein. Die Stadt frisst und schläft Lärm. Sie macht Lärm aus jedem Jahrhundert. Sie macht denselben Lärm wie im siebzehnten Jahrhundert, zusammen mit all dem Lärm, der sich seitdem entwickelt hat. Nein. Aber der Lärm macht mir nichts aus. Der Lärm belebt mich. Hauptsache, er ist da.«
»Der Kork.«
»Genau. Der Kork. Darauf kommt es letzten Endes an.« Torval war nicht in Sicht. In der Nähe der Kasse entdeckte Eric den männlichen Bodyguard, der so tat, als läse er in der Speisekarte. Er wollte verstehen, warum Kassen nicht im Kassenmuseum von Philadelphia oder Zürich in Schaukästen gesperrt wurden.
Elise sah in ihre Suppenschale, wo es vor verschiedenen Lebensformen blubberte.
»Habe ich das gewollt?«
»Sag mir, was du gewollt hast.«
»Entenconsommé mit einem Kräuterhauch.«
Sie sagte das selbstironisch, wobei sie einen exterritorialen Akzent anschlug, der nur etwas gehobener war als ihr normales Modulationssystem. Er betrachtete sie genau, rechnete damit, ihre geschwungenen Nüstern und die feine, leichte Krümmung des Nasenrückens zu bewundern. Doch er ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie vielleicht doch nicht schön war. Vielleicht war sie missglückt. Das war ein Stich der Erkenntnis. Vielleicht war sie mittelmäßig, verzweifelt unausgefallen. Im Buchladen hatte sie besser ausgesehen, als er sie für eine andere hielt. Er begriff allmählich, dass sie ihre Schönheit gemeinsam erfunden, verschwörerisch ein Trugbild zusammengebaut hatten, das zu ihrer gegenseitigen Manövrierbarkeit und Begeisterung funktionierte. Sie hatten unter dem Schleier dieser unausgesprochenen Abmachung geheiratet. Sie brauchten diesen Schlusspunkt in der Reihe. Sie war reich, er war reich; sie war eine gesetzmäßige Erbin, er Selfmademan; sie war kultiviert, er war rücksichtslos; sie war zerbrechlich, er war stark; sie war talentiert, er war brillant; sie war wunderschön. Dies war der Kern ihres Einverständnisses, das, woran sie glauben mussten, um ein Paar sein zu können. Sie hielt den Suppenlöffel über die Schale, starr, während sie einen Gedanken formulierte.
»Es stimmt übrigens, weißt du. Du stinkst wirklich nach sexueller Entladung«, sagte sie und achtete darauf, in die Suppe zu schauen.
»Es ist nicht der Sex, den ich deiner Meinung nach erlebt habe. Es ist der Sex, den ich will. Das riechst du an mir. Denn je mehr ich dich anschaue, desto mehr erfahre ich über uns beide.«
»Sag mir, was das bedeutet. Oder tu’s nicht. Nein, tu’s nicht.«
»Und desto mehr will ich Sex mit dir. Denn es gibt eine bestimmte Art von Sex, in der etwas Reinigendes steckt. Das ist das Antidot zur Desillusionierung. Das Gegengift.«
»Du musst entflammt sein, stimmt’s? Dann bist du in deinem Element.«
Er wollte in ihre Unterlippe beißen, sie mit den Zähnen packen und gerade fest genug zubeißen, um einen erotischen Blutstropfen hervorquellen zu lassen.
»Wo wolltest du hin«, sagte er, »nach dem Buchladen? Weil es gibt da ein Hotel.«
»Ich wollte in den Buchladen. Punkt. Ich war im Buchladen. Ich fand es gut da. Wo wolltest du hin?«
»Zum Haareschneiden.«
Sie legte ihm eine Hand aufs Gesicht und sah düster und kompliziert aus.
»Brauchst du das?«
»Ich brauche alles, was du mir geben kannst.«
»Sei lieb«, sagte sie.
»Ich brauche alle Bedeutungen von entflammen. Gleich gegenüber, auf der anderen Seite der Avenue, ist ein Hotel. Wir können ganz von vorn anfangen. Oder es mit intensivem Gefühl zu Ende bringen. Das ist eine der Bedeutungen. Zu leidenschaftlichen Gefühlen erregen. Wir können zu Ende bringen, was wir kaum angefangen haben. Zwei Hotels sogar. Wir können wählen.«
»Ich glaube nicht, dass ich das weiter verfolgen möchte.«
»Nein, was.
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