Cosmopolis
Cockney sagte, Ich frage Sie nicht, woher Sie Ihr Geld haben, also fragen Sie mich nicht, woher ich meine Bücher habe. Sie blieben stehen und schauten, stöberten in seinem Pappkarton herum. Der alte Chinese stand aufrecht da, knetete die Akupunkturstellen der Frau durch, die Daumen in den Kuhlen hinter ihren Ohren.
Eric sah, wie Leute vor dem Geldwechselschalter an der südöstlichen Ecke stehen blieben. Das brachte ihn darauf, das Schiebedach zu öffnen und den Kopf hinauszustrecken, weil er so eine unverstellte Sicht auf die Währungskurse hatte, die über das Gebäude direkt vor ihm liefen. Der Yen kletterte immer noch, stieg gegen den Dollar.
Er saß auf dem Klappsitz, Kinski gegenüber, und erzählte ihr, wie die Situation ungefähr aussah, dass er Yens zu extrem niedrigen Zinssätzen leihe und dieses Geld benutze, um in großem Stil mit Aktien zu spekulieren, die potenziell hohe Gewinne versprachen.
»Bitte. Sagt mir alles nichts.«
Aber je stärker der Yen werde, desto mehr Geld brauche er, um das Darlehen zurückzuzahlen.
»Stopp. Ich komm nicht mehr mit.«
Aber er mache weiter, weil er wisse, dass der Yen nicht noch höher steigen könne. Er erläuterte, es gebe Höhen, die der Yen nicht erreichen könne. Das wisse der Markt. Es gebe Schwankungen und Erschütterungen, die der Markt bis zu einem gewissen Ausmaß dulde, aber nicht mehr. Der Yen wisse selbst, dass er nicht höher steigen könne. Aber er steige doch weiter, immer und immer wieder.
Sie hielt das Wodkaglas zwischen den Handflächen und rollte es hin und her, während sie nachdachte. Er wartete. Sie trug winzige Slipper mit Troddeln und weiße Söckchen. »Klug wäre es, den Rückzug anzutreten, wieder auf Abstand zu gehen. Und das rät man Ihnen auch«, sagte sie.
»Ja.«
»Aber etwas wissen Sie doch. Sie wissen, dass der Yen nicht noch höher steigen kann. Und wenn Sie etwas wissen und sich nicht danach verhalten, dann haben Sie es gar nicht gewusst. Es gibt eine chinesische Weisheit«, sagte sie. »Zu wissen und nicht zu handeln heißt, nicht zu wissen.«
Er liebte Vija Kinski.
»Sich jetzt zurückzuziehen wäre nicht authentisch. Es wäre ein Zitat aus dem Leben anderer Leute. Die Paraphrase eines vernünftigen Textes, der Sie glauben machen will, es gäbe plausible Wirklichkeiten, ja, die verfolgt und analysiert werden könnten.«
»Während eigentlich was.«
»Der Sie glauben machen will, es gäbe vorhersehbare Trends und Kräfte. Während das eigentlich alles willkürliche Phänomene sind. Sie wenden Mathematik und andere Disziplinen an, okay. Aber letzten Endes haben Sie mit einem System zu tun, das außer Kontrolle ist. Hysterie in Hochgeschwindigkeit, Tag für Tag, Minute für Minute. Die Menschen in freien Gesellschaften brauchen die Pathologie des Staates nicht zu fürchten. Wir schaffen unseren eigenen Wahnsinn, unsere eigenen Massenverkrampfungen, angetrieben von Denkmaschinen, über die wir letztlich keine Macht haben. Der Wahnsinn ist meistens kaum zu merken. Er liegt einfach darin, wie wir leben.«
Sie hörte mit einem Lachen auf. Ja, er bewunderte ihr Talent zu triftiger Rede, die wohlgestalt war und überzeugend, mit einem geschliffenen Ende. Das genau wollte er von ihr. Geordnete Gedanken, herausfordernde Bemerkungen. Aber ihr Lachen hatte etwas Dreckiges. Es war höhnisch und rau.
»Das wissen Sie natürlich«, sagte sie.
Er wusste es und auch wieder nicht. Nicht in diesem nihilistischen Maße. Nicht so weit vorangetrieben, dass alle Einschätzungen ihre Grundlage verloren.
»Auf irgendeiner tieferen Ebene gibt es einen Befehl«, sagte er. »Ein Muster, das erkannt werden will.«
»Dann erkennen Sie es doch.«
Er hörte Stimmen in der Ferne.
»Das habe ich sonst immer getan. Aber jetzt hat es sich entzogen. Meine Experten haben sich abgemüht und praktisch schon aufgegeben. Ich habe daran gearbeitet, darüber geschlafen, nicht darüber geschlafen. Es besteht eine gemeinsame Oberfläche, eine Affinität zwischen den Bewegungen des Marktes und der natürlichen Welt.«
»Eine Ästhetik der Interaktion.«
»Ja. Aber in diesem Fall beginne ich daran zu zweifeln, dass ich sie jemals entdecken werde.«
»Zweifel. Was ist Zweifel? Sie glauben nicht an Zweifel. Das haben Sie mir gesagt. Computermacht eliminiert Zweifel. Jeder Zweifel entsteht aus früheren Erfahrungen. Aber die Vergangenheit verschwindet. Früher kannten wir die Vergangenheit, aber nicht die Zukunft. Das ändert sich gerade«, sagte sie. »Wir
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