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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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Gewühl herausfädelten. Er wusste nicht, wie lange es her war, dass er sich so wohlgefühlt hatte.
    Wie lange? Er wusste es nicht.
    Nun, da der Währungsticker wieder normal funktionierte, zeigte der Yen neuerliche Kraft und stieg gegenüber dem Dollar in mikrodezimalen Sprüngen, jede sextillionste Sekunde. Das war gut. Das war okay und richtig. Es erregte ihn, in Zeptosekunden zu denken und die Zahlen bei ihrem unablässigen Durchrauschen zu beobachten. Der Aktienticker war auch gut. Er beobachtete, wie die Haupttitel vorbeisausten, und fühlte sich gereinigt, auf vielerlei namenlose Weise, wenn er die Preise in einen schlüpfrigen Sturzflug hineinwirbeln sah. Ja, das hatte eine sexuelle Wirkung auf ihn, cunnilingual geradezu, und er ließ den Kopf in den Nacken fallen und sperrte den Mund für Himmel und Regen auf.
    Der Regen rauschte auf die sich leerende Weite des Times Square, wo die Plakatwände jetzt geisterbeleuchtet waren und die Reifenbarrikaden fast schon völlig weggeräumt, sodass die 47. Straße nach Westen wieder frei war. Der Regen war okay. Der Regen war dramatisch richtig. Aber die Drohung war noch besser. Er sah ein paar Touristen, die unter Schirmpulks über den Broadway schlichen, um den verkohlten Fleck auf dem Pflaster zu besichtigen, wo sich ein Unbekannter in Brand gesteckt hatte. Das war ernst und belastend. Es war richtig für den Augenblick und den Tag. Aber die glaubwürdige Drohung, die setzte ihn in Bewegung und belebte ihn. Der Regen auf seinem Gesicht war gut, und der saure Gestank war okay und richtig, die Ausdünstungen des Urins, die auf seinem Auto reiften, und in all dem ließ sich ein bebendes Vergnügen finden, eine Freude über alles Ungemach im schnellen Abschwung der Märkte. Vor allem aber sprach die Todesdrohung an der Schwelle zur Nacht zu ihm, höchstwahrscheinlich über irgendein Schicksalsprinzip, von dem er immer gewusst hatte, dass es mit der Zeit deutlich werden würde.
    Jetzt konnte er mit dem Geschäft des Lebens beginnen.

3
    Sie hatte korallenbraune Haut und markante Wangenknochen. Ihre Lippen glänzten wie Bienenwachs. Sie ließ sich gern anschauen. Der Akt des Entkleidens wirkte bei ihr provozierend öffentlich, eine Enthüllung über nationale Grenzen hinweg, mit einem Hauch von demonstrativem Trotz.
    Beim Sex behielt sie ihre kugelsichere Weste aus ZyloFlex an. Das war seine Idee gewesen. Sie erklärte ihm, die ballistische Faser sei die leichteste und weichste, die es gebe, auch die stärkste, und stichfest noch dazu.
    Sie hieß Kendra Hays, und sie ging locker mit ihm um. Ungefähr anderthalb Sekunden lang boxten sie, zum Schein. Er leckte ihren Körper hier und da, was kleine Spuckebläschen hinterließ.
    »Du trainierst«, sagte sie.
    »Sechs Prozent Körperfett.«
    »Genau mein Wert, früher. Dann bin ich faul geworden.«
    »Und was tust du dagegen?«
    »Mich morgens auf die Maschinen stürzen. Abends durch den Park laufen.«
    Ihre Haut war zimtfarben oder rostbraun oder ein Gemisch aus Kupfer und Bronze. Er fragte sich, ob sie sich selbst wohl normal fand, wenn sie allein im Fahrstuhl stand und ans Mittagessen dachte.
    Sie warf die Weste ab und trat ans Fenster, einen Zimmerservice-Scotch in der Hand. Ihre Kleider lagen gefaltet auf einem Stuhl in der Nähe. Er hätte am liebsten einen Tag in seiner Meditationszelle damit zugebracht, nur ihr Gesicht und ihren Körper still zu betrachten, als Tao-Übung oder mentales Fasten. Er fragte nicht, was sie von der glaubwürdigen Bedrohung wusste. Details interessierten ihn nicht, noch nicht, und Torval hätte den Bodyguards sowieso nicht viel verraten.
    »Wo ist er jetzt?«
    »Wer?«
    »Du weißt schon.«
    »Im Foyer. Torval? Beobachtet das Kommen und Gehen. Danko ist draußen auf dem Gang.«
    »Wer ist das?«
    »Danko. Mein Partner.«
    »Er ist neu.«
    »Ich bin neu. Er passt schon seit einiger Zeit auf dich auf, seit diesen Kriegen auf dem Balkan. Er ist ein Veteran.«
    Eric saß im Schneidersitz auf dem Bett, warf sich Erdnüsse in den Mund und beobachtete sie.
    »Was wird er hierzu sagen?«
    »Torval? Meinst du ihn?« Sie war amüsiert. »Sprich seinen Namen aus.«
    »Was wird er dir sagen?«
    »Hauptsache, du bist in Sicherheit. Das ist seine Aufgabe«, sagte sie.
    »Männer können besitzergreifend werden. Was. Das weißt du nicht?«
    »Hab so Gerüchte gehört. Aber Fakt ist, offiziell hatte ich vor einer Stunde Dienstschluss. Also reden wir hier über meine Freizeit.«
    Er mochte sie. Je mehr ihm

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