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Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
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so groß und verzweigt, vital verknüpft mit den Angelegenheiten von so vielen wechselseitig verwundbaren Schlüsselinstitutionen, dass das gesamte System in Gefahr geriet.
    Er rauchte und sah zu, fühlte sich stark, stolz, dumm und überlegen. Er war außerdem gelangweilt und ein bisschen verächtlich. Die machten da zu viel draus. Er nahm an, dass es in ein, zwei Tagen vorbei sein würde, und er wollte gerade dem Fahrer einen Kode durchgeben, als er merkte, dass die Leute unter der Markise das zerbeulte, vollgesprühte Auto anstarrten.
    Er ließ das Fenster herab und schaute sich eine der dort stehenden Frauen genauer an. Zuerst dachte er, es sei Elise Shifrin. So dachte er manchmal an seine Frau, mit vollem Namen, was mit ihrer relativen Berühmtheit in Gesellschaftsspalten und Modebüchern zu tun hatte. Dann war er sich nicht sicher, weil ihm zum Teil die Sicht verstellt war, und auch, weil die besagte Frau eine Zigarette in der Hand hatte.
    Er öffnete gewaltsam die Tür und ging über die Straße, eskortiert von einem Torval, der gekonnt seine Wut beherrschte.
    »Ich muss wissen, wo Sie hinwollen.«
    »Warten Sie ab, dann merken Sie’s«, sagte er.
    Die Frau wandte sich ab, als er herankam. Es war Elise, im Profil, und sie reagierte nicht.
    »Du rauchst, seit wann.«
    Sie antwortete, ohne sich ihm zuzudrehen, offenbar distanziert.
    »Ich habe es mir angewöhnt, als ich fünfzehn war. Es gehört zu den Dingen, die sich ein Mädchen angewöhnt. Es sagt ihr, dass sie mehr ist als ein dünner Körper, den keiner anschaut. Es liegt eine gewisse Dramatik in ihrem Leben.«
    »Sie bemerkt sich. Dann bemerken andere Leute sie. Dann heiratet sie einen davon. Dann gehen sie zum Abendessen«, sagte er.
    Torval und Danko flankierten die Limo, und sie rollte bedächtig die Straße entlang, durch leichten Taxiverkehr, während Mann und Frau verschiedene in Frage kommende Esslokale erörterten. Einer der Bildschirme zeigte eine Liste der Restaurants in dieser Straße, und Elise entschied sich für das alte, kleine, verlässliche, unterirdische Bistro. Eric schaute aus dem Fenster und sah eine kleine Fressschachtel namens Little Tokyo.
    Der Laden war leer.
    »Du trägst einen Kaschmirpullover.«
    »Stimmt.«
    »Er ist beige.«
    »Ja.«
    »Und das ist dein von Hand mit Perlen bestickter Rock.«
    »Stimmt.«
    »Seh ich. Wie war das Stück?«
    »Ich bin in der Pause gegangen, oder?«
    »Wovon handelte es, und wer hat gespielt? Ich mache Konversation.«
    »Ich bin spontan hingegangen. Kaum Publikum. Fünf Minuten, nachdem der Vorhang hochgegangen war, wusste ich, warum.«
    Der Kellner stand am Tisch. Elise bestellte einen gemischten Blattsalat, wenn’s geht, und eine kleine Flasche Mineralwasser. Nicht mit Kohlensäure, bitte, sondern still.
    Eric sagte: »Bringen Sie mir den rohen Fisch mit der Quecksilbervergiftung.«
    Er saß mit Blick auf die Straße. Danko stand gleich vor der Tür, nicht von dem weiblichen Bodyguard begleitet.
    »Wo ist dein Jackett?«
    »Wo ist mein Jackett.«
    »Du hattest früher am Tag ein Anzugjackett an. Wo ist dein Jackett?«
    »Wahrscheinlich im Handgemenge verloren gegangen. Du hast das Auto gesehen. Wir sind von Anarchisten attackiert worden. Noch vor knapp zwei Stunden waren sie ein beachtlicher globaler Protest. Jetzt sind sie, was, vergessen.«
    »Ich würde gern etwas ganz anderes vergessen.«
    »Was du riechst, sind meine Erdnüsse.«
    »Hab ich dich nicht ein Stück weiter oben aus dem Hotel kommen sehen, als ich vor dem Theater stand?«
    Das machte ihm Spaß. Das brachte sie ins Hintertreffen, ihn so kleinlich zu verhören, und er fühlte sich jungenhaft findig und rebellisch.
    »Ich könnte dir erzählen, dass mein Personal ein dringendes Treffen angesetzt hat, um die Krise in den Griff zu kriegen. Und der nächstliegende Konferenzraum war just in dem Hotel. Oder ich könnte dir erzählen, dass ich im Foyer auf die Herrentoilette musste. Es gibt zwar eine Toilette im Auto, aber das weißt du ja nicht. Oder dass ich ins Fitnessstudio des Hotels gegangen bin, um die Anspannung des Tages abzubauen. Ich könnte dir erzählen, dass ich eine Stunde auf dem Trimmrad zugebracht habe. Und dann schwimmen gegangen bin, falls es da einen Swimmingpool gibt. Oder dass ich aufs Dach gegangen bin, um die Blitze zu beobachten. Ich liebe den Regen, wenn er so braust, was zurzeit selten ist. So eine Art Peitschenknallen, wenn der Regen in Wellen über die Dächer geht. Oder dass die Bordbar im Auto

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