Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cosmopolis

Cosmopolis

Titel: Cosmopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don DeLillo
Vom Netzwerk:
klar wurde, dass Torval sie hassen würde, desto mehr mochte er sie. Torval würde sie dafür inbrünstig hassen, sie wochenlang unter seinen Sturmbrauen hervor anstieren.
    »Findest du das interessant?«
    Sie sagte: »Was?«
    »Jemanden zu beschützen, der in Gefahr ist.«
    Er wünschte sich, dass sie leicht nach links rückte, damit der Schein der Tischlampe auf ihre Hüfte fiel.
    »Was bringt dich dazu? Dieses Risiko einzugehen.«
    »Vielleicht bist du’s ja wert«, sagte sie.
    Sie tauchte einen Finger in ihren Drink und vergaß, ihn abzulecken.
    »Vielleicht ist es nur die Bezahlung. Die ist ziemlich gut. Risiko? Ich denke nicht über Risiko nach. Ich glaube, das Risiko liegt bei dir. Du bist der Mann im Fadenkreuz.«
    Das fand sie lustig.
    »Aber ist es interessant?«
    »Es ist interessant, in der Nähe eines Mannes zu sein, den jemand umbringen will.«
    »Du kennst doch den Spruch, oder?«
    »Welchen?«
    »Die logische Verlängerung von Business ist Mord.«
    Das fand sie auch lustig.
    Er sagte: »Rück ein Stück nach links.«
    »Rück ein Stück nach links.«
    »Genau. Schön. Perfekt.«
    Ihre Haut war fuchsbraun, das Haar eng am Kopf geflochten.
    »Welche Waffe hat er dir gegeben?«
    »Betäubungspistole. Tödliche Wirkung traut er mir noch nicht zu.«
    Sie kam ans Bett und nahm ihm das Wodkaglas aus der Hand. Er konnte nicht damit aufhören, sich Erdnüsse in den Mund zu werfen.
    »Du solltest dich gesünder ernähren.«
    Er sagte: »Heute ist eine Ausnahme. Wie viel Volt kannst du einsetzen?«
    »Einhunderttausend. Das blockiert dein Nervensystem. Da gehst du in die Knie. Ungefähr so«, sagte sie.
    Sie goss ein paar Tropfen Wodka auf seine Genitalien. Es biss, es brannte. Sie lachte dabei, und er wollte, dass sie es noch mal machte. Sie goss einen kleinen Schuss nach und bückte sich, um ihn abzulecken, Eric mit einer Wodkazunge abzuschrubben, dann kniete sie über ihm. Sie hielt ein Glas in jeder Hand und versuchte, das Gleichgewicht zu halten, während sie auf und ab hüpften und lachten.
    Er trank ihren Scotch aus und aß Hände voll Erdnüsse, während sie duschte. Er sah ihr beim Duschen zu und dachte, das ist eine Frau der Riemen und Gurte. Im Grunde wird sie niemals nackt sein.
    Dann stand er neben dem Bett und sah ihr beim Anziehen zu. Sie ließ sich Zeit, die kugelsichere Weste war schon um den Oberkörper geschnallt, die Hosen gleich auch, dann die Schuhe, und sie befestigte gerade das Gürtelholster an ihrer Hüfte, als sie ihn da stehen sah in seinen Shorts.
    Er sagte: »Betäube mich. Ich mein’s ernst. Zieh die Pistole und schieß. Ich will, dass du es tust, Kendra. Zeig mir, wie sich das anfühlt. Ich will mehr. Zeig mir etwas, das ich nicht kenne. Betäube mich bis in die DNS hinein. Komm schon, tu es. Drück ab. Ziel und schieß. Ich will jedes einzelne Volt, das in der Waffe steckt. Tu’s. Schieß. Jetzt.«
    Das Auto parkte vor dem Hotel und gegenüber vom Barrymore, wo sich, zusammengedrängt unter der Markise, eine Gruppe Raucher zur Pause versammelt hatte.
    Er saß im Auto, lieh sich Yen und beobachtete auf mehreren Monitoren, wie die Zahlen seines Fonds im Dunst versanken. Torval stand mit verschränkten Armen im Regen. Er war eine einsame Gestalt auf der Straße, den Blick auf eine Reihe leerer Laderampen gerichtet.
    Der Yen-Rausch befreite Eric von dem Einfluss seiner Großhirnrinde. Er fühlte sich noch freier als gewöhnlich, auf die Register seines Kleinhirns eingestimmt, und gewann Abstand zu dem Bedürfnis, etwas Einfallsreiches zu unternehmen, originelle Urteile abzugeben, unabhängige Prinzipien und Überzeugungen zu vertreten, zu all den Ursachen, weshalb Menschen verkorkst sind und Vögel und Ratten nicht.
    Wahrscheinlich hatte ihm die Betäubungspistole dazu verholfen. Die Voltspannung hatte seine Muskulatur für zehn bis fünfzehn Minuten in Gelee verwandelt, und er hatte sich auf dem Hotelteppich herumgewälzt, elektrokonvulsivisch und seltsam entrückt, aller Vernunftfähigkeit beraubt.
    Aber jetzt konnte er denken, und zwar so klar, dass er verstand, was passierte. Überall stürzten Währungen ab. Immer mehr Banken brachen zusammen. Er öffnete den Humidor und zündete sich eine Zigarre an. Strategen konnten Geschwindigkeit und Tiefe des Falls nicht erklären. Sie sperrten den Mund auf, und Worte kamen heraus. Er wusste, es lag am Yen. Seine Unternehmungen mit dem Yen verursachten Chaosstürme. Er war so stark fremdfinanziert, der Wertpapierbestand seiner Firma war

Weitere Kostenlose Bücher