Cosmopolis
unerklärlicherweise leer war, sodass ich reinging, um etwas zu trinken. Ich könnte dir erzählen, dass ich auf einen Drink in die Bar neben dem Foyer gegangen bin, wo die Erdnüsse immer frisch sind.«
Der Kellner sagte: »Guten Appetit.«
Sie betrachtete ihren Salat. Und aß ihn dann. Sie haute richtig rein und behandelte ihn als Essen, nicht als irgendeinen Auswuchs von Materie, den die Wissenschaft nicht erklären konnte.
»Handelt es sich um das Hotel, in das du mich mitnehmen wolltest?«
»Wir brauchen kein Hotel. Wir machen es auf der Damentoilette. Wir gehen in die Gasse hinterm Haus und bringen die Mülltonnen zum Scheppern. Schau mal. Ich versuche ganz normal mit dir Kontakt aufzunehmen. Dich zu sehen und zu hören. Deine Stimmung und Kleidung wahrzunehmen. Das ist wichtig. Sitzen deine Strümpfe gerade? Auf einer gewissen Ebene verstehe ich was davon. Wie Leute aussehen. Was Leute anhaben.«
»Wie sie riechen«, sagte sie. »Macht es dir was aus, wenn ich das sage? Bin ich zu ehefrauenhaft? Ich sag dir, was das Problem ist. Ich kann nicht gleichgültig sein. Ich schaffe das nicht. Und es macht mich schmerzanfällig. Mit anderen Worten, es tut weh.«
»Das ist gut. Wir sind wie Leute, die miteinander reden. Reden sie nicht so?«
»Woher soll ich das wissen?«
Er schluckte seinen Sake herunter. Es gab eine lange Pause.
Er sagte: »Meine Prostata ist asymmetrisch.«
Sie lehnte sich zurück und dachte nach, betrachtete ihn etwas besorgt.
»Was bedeutet das?«
Er sagte: »Ich weiß es nicht.«
Die Stimmungsverschiebung ließ sich ertasten, die gemeinsame Sorge und Rücksicht.
»Du brauchst einen Arzttermin.«
»Ich hatte gerade einen Arzttermin. Ich habe jeden Tag einen Arzttermin.«
Der Raum, die Straße waren völlig still, und jetzt flüsterten sie. Er konnte sich nicht erinnern, dass sie einander je so nah gewesen wären.
»Du hattest gerade einen Arzttermin.«
»Daher weiß ich es.«
Darüber dachten sie nach. Während es immer feierlicher wurde, passierte zwischen ihnen etwas fast Humorvolles. Vielleicht steckt in bestimmten Körperteilen Humor, auch wenn die Störung ihrer Funktionen einen langsam umbringt, während sich die Lieben um das Bett versammeln, weit weg von den besudelten Laken, und andere im Foyer rauchen.
»Schau. Ich habe dich wegen deiner Schönheit geheiratet, aber du brauchst nicht schön zu sein. In gewisser Weise habe ich dich auch wegen deines Geldes geheiratet, wegen seiner Geschichte, wie es über Generationen angehäuft wurde, über Weltkriege hinweg. Nicht dass ich das unbedingt brauchen würde, aber ein bisschen Geschichte ist nett. Das Familienfaktotum. Die Weinkeller. Kleine Weinverkostungen im engen Kreise. Gemeinsam Merlot ausspucken. Das ist dumm, aber nett. Die auf dem Gut abgefüllten Flaschenweine. Die Skulpturen im Renaissancegarten, unterhalb der Villa auf dem Hügel, im Zitronenhain. Aber du brauchst nicht reich zu sein.«
»Ich brauche nur gleichgültig zu sein.«
Sie fing an zu weinen. Er hatte sie noch nie weinen sehen und fühlte sich etwas hilflos. Er streckte eine Hand aus. Da blieb sie, ausgestreckt, zwischen ihnen.
»Du hast bei unserer Hochzeit einen Turban getragen.«
»Ja.«
»Das fand meine Mutter toll«, sagte sie.
»Ja. Aber ich spüre eine Veränderung. Ich nehme eine Veränderung vor. Hast du dir die Karte angeschaut? Die haben Eis aus grünem Tee. Das könnte dir schmecken. Die Menschen verändern sich. Ich weiß jetzt, worauf es ankommt.«
»Das ist aber ein langweiliger Satz. Also bitte.«
»Ich weiß jetzt, worauf es ankommt.«
»Na gut. Aber nimm meinen skeptischen Unterton zur Kenntnis«, sagte sie. »Worauf kommt es jetzt an?«
»Mir bewusst zu machen, was um mich herum ist. Die Situation eines anderen Menschen zu verstehen, seine Gefühle. Kurz, zu wissen, worauf es ankommt. Ich dachte, du müsstest schön sein. Aber das stimmt jetzt nicht mehr. Vorher stimmte es noch. Aber nichts, was da stimmte, stimmt jetzt.«
»Wenn ich dich recht verstehe, heißt das, du findest mich jetzt nicht mehr schön.«
»Warum musst du schön sein?«
»Warum musst du reich, berühmt, geistreich, mächtig und gefürchtet sein?«
Seine Hand hing immer noch zwischen ihnen in der Luft. Er nahm ihre Wasserflasche und trank sie aus. Dann erzählte er ihr, dass der Wertpapierbestand von Packer Capital sich im Lauf des Tages praktisch auf null reduziert und sein persönliches Vermögen von zig Milliarden sich dieser Tatsache ruinös
Weitere Kostenlose Bücher