Cotton-Malone 03 - Der Pandora-Pakt
südwärts nach Memphis und zum Tempel des Nektanebo.
Sie dachte an die nächste Zeile des Rätsels:
Berühre das innerste Sein der goldenen Illusion.
Und sie lächelte.
43
Torcello
Viktor warf sich flach auf die Treppe und hob den Arm, um sein Gesicht vor der rasenden Hitze, die vom Eingang des Erdgeschosses aufstieg, abzuschirmen. Die Schildkröte hatte entsprechend ihrer Programmierung auf die steigende Temperatur reagiert, indem sie sich automatisch zerstört hatte. Rafael konnte unmöglich überlebt haben. Die Anfangstemperatur von Griechischem Feuer war so hoch, dass Metall weich wurde und Stein brannte, und die zweite Hitzewelle war noch gewaltiger. Der Körper eines Menschen konnte dieser Hitze nicht stand halten. Rafael würde bald zu Asche zerfallen, und damit würde ihn das Schicksal ereilen, das sie diesem Mann in Kopenhagen zugedacht hatten.
Viktor wandte sich um.
Drei Meter weiter wütete das Feuer.
Die Hitze wurde unerträglich.
Er hastete ins Obergeschoss.
Das alte Gebäude war zu einer Zeit errichtet worden, als die Decke des Erdgeschosses gleichzeitig als Boden des Obergeschosses diente. Die Decke unten brannte mittlerweile lichterloh. Einer der Gründe, weshalb man die Schildkröte explodieren ließ, bestand darin, die Zerstörung rasch auszuweiten. Das Knarren und Stöhnen der Fußbodenbretter im Obergeschoss verriet, wie sehr das Feuer ihnen schon zusetzte. Das Gewicht der drei Vitrinen und der anderen schweren Exponate belastete den Boden noch zusätzlich. Viktor war klar, dass das Überqueren des Bodens ein Fehler sein könnte, auch wenn dieser noch nicht in Flammen stand. Zum Glück bestand der Treppenaufgang, in dem er stand, aus Stein.
Ein paar Schritte entfernt von ihm ging ein Flügelfenster auf die Piazzetta hinaus. Viktor beschloss, das Risiko einzugehen, ging vorsichtig zur Außenwand und spähte durch die Scheibe nach unten.
Cassiopeia sah das Gesicht im Fenster, ließ den Bogen fallen, griff nach ihrer Pistole und gab zwei Schüsse ab.
Viktor sprang ins Treppenhaus zurück, als das Fenster zerbrach. Er griff nach seiner Waffe und machte sich bereit, das Feuer zu erwidern. Die Silhouette des Angreifers hatte ihm verraten, dass er es mit einer Frau zu tun hatte. Sie hatte einen Bogen in den Händen gehalten, diese Waffe aber rasch durch eine Pistole ersetzt.
Bevor Viktor seine erhöhte Position ausnutzen konnte, schoss ein flammender Pfeil zwischen den Gitterstäben hindurch, flog durch das offene Fenster und bohrte sich in den Verputz auf der gegenüberliegenden Seite des Raums. Zum Glück hatte die Schildkröte hier nicht die Wände besprüht. Nur die beiden Päckchen, die er hier hatte liegen lassen, stellten ein Problem dar. Das eine Päckchen lag auf dem Boden, das andere in der ausgeraubten Vitrine.
Er musste etwas unternehmen.
Also machte er es der Frau nach und zerschoss die Scheiben des Flügelfensters, das sich in der hinteren Wand des Gebäudes befand.
Cassiopeia hörte Stimmen. Sie kamen von links, wo das Gasthaus und das Restaurant lagen. Bestimmt hatten die Schüsse die Aufmerksamkeit der Gäste erregt. Sie entdeckte dunkle Gestalten, die sich auf dem Weg vom Dorf her näherten, und zog sich rasch unter die Vorhalle der Basilika zurück. Sie hatte den letzten Brandpfeil in der Hoffnung abgeschossen, dass dieser auch das Obergeschoss in Brand setzen würde. Im Widerschein des Feuers hatte sie dann Viktors Gesicht erkannt.
Leute tauchten auf. Ein Mann hielt ein Handy ans Ohr. Auf der Insel selbst gab es keine Polizei, so dass ihr ausreichend Zeit blieb, und sie bezweifelte, dass Viktor die Leute um Hilfe angehen würde, denn die Leiche im Erdgeschoss würde zu viele unangenehme Fragen aufwerfen.
Also beschloss sie zu verschwinden.
Viktor starrte über die Dielen hinweg auf das Päckchen mit Griechischem Feuer, das auf dem Boden lag. Er beschloss, sofort zu handeln, eilte leichtfüßig zu dem Päckchen hin, hob es auf und flitzte zum Fenster, dessen Scheibe er gerade herausgeschossen hatte.
Die Dielenbretter hielten.
Er legte das Päckchen außen über das C-förmige schmiedeeiserne Gitter.
Die Dielen in der Mitte des Raums ächzten.
Viktor hatte unten dicke Deckenbalken gesehen, die jedoch ohne jeden Zweifel mit jeder Sekunde schwächer wurden. Er huschte zu dem Pfeil, der in der Wand steckte, und riss ihn frei. Die um die Pfeilspitze gewickelten Lumpen brannten noch immer. Er eilte zurück zum Treppenaufgang und warf den Pfeil ins offene Fenster.
Weitere Kostenlose Bücher