Cotton Malone 05 - Der Korse
gemachten und von den Parisern verehrten Bischofs, eine Kapelle errichtet worden. Das heutige Gotteshaus war ein ganz außergewöhnliches Gebäude und wurde weltweit als eines der ersten Beispiele gotischer Architektur betrachtet. Er erinnerte sich, wie ein französischer Bekannter einmal geprahlt hatte, dort sei die weltweit größte Ansammlung königlicher Grabmonumente zu besichtigen. Was ihm völlig egal war. Aber vielleicht sollte es ihn doch interessieren. Insbesondere ein ganz bestimmtes königliches Grab.
»Keiner weiß, ob Dagobert wirklich dort begraben liegt«, stellte Caroline klar. »Der Urkern des Bauwerks wurde im fünften Jahrhundert errichtet. Dagobert hat Mitte des siebten Jahrhunderts regiert. Er stiftete so viel für die Vergrößerung und Verschönerung der Basilika, dass er im neunten Jahrhundert als ihr Gründer angesehen wurde. Im dreizehnten Jahrhundert weihten die Mönche ihm zu Ehren eine Grabnische.«
»Liegt Dagobert nun dort oder nicht?«
Sie zuckte die Schultern. »Was spielt das für eine Rolle? Die Nische wird noch immer als Dagoberts Grab betrachtet. Der Ort, wo er liegt. Tot.«
Er begriff die Bedeutung ihrer Worte. »Davon wäre Napoleon also überzeugt gewesen?«
»Mir scheint, etwas anderes hätte er kaum glauben können.«
Malone starrte auf das Notebook und das mit Großbuchstaben geschriebene Wort, das dazu noch mit drei Ausrufezeichen versehen war.
BUMM!!!
»Das ist interessant«, sagte Stephanie.
»Lyon hat einen Bombenfimmel.«
Auf dem Bildschirm tauchte eine neue Anzeige auf.
WIE SAGT MAN NOCH?
DUMM GEBOREN UND NICHTS DAZUGELERNT.
VIELLEICHT BEIM NÄCHSTEN MAL.
»Also, das ist ärgerlich«, sagte Malone, aber er sah mehr als Frustration in Stephanies Augen und wusste, was sie dachte.
Kein Pariser Club. Kein Lyon. Nichts.
»Ganz so schlimm ist es gar nicht«, sagte er.
Sie schien das Funkeln in seinen Augen zu sehen. »Du hast etwas im Kopf?«
Er nickte. »Eine Möglichkeit für uns, diese Schattengestalt endlich doch noch zu fassen.«
Ashby betrachtete ein Foto von Dagoberts Grabmonument, das Caroline online gefunden hatte. Die wimmelnden Figurengruppen strahlten etwas Gotisches aus.
»Das Monument stellt die Legende von Johannes dem Einsiedler dar«, erzählte sie. »Er träumte, Dagoberts Seele sei von Dämonen gestohlen, diesen aber schließlich durch die Heiligen Dionysius, Mauritius und Martin entrissen worden.«
»Und dieses Grabmal steht in der Basilika Saint-Denis?«
Sie nickte. »Neben dem Hauptaltar. Irgendwie ist es den Zerstörungen der Französischen Revolution entgangen. Vor 1800 wurde praktisch jeder französische Monarch in Saint-Denis bestattet. Aber die meisten Bronzegrabmale wurden während der Französischen Revolution eingeschmolzen und der Rest zertrümmert und in einen Garten hinter der Basilika geschmissen. Die Gebeine aller Bourbonenkönige wurden in der Nähe in eine Friedhofsgrube geworfen.«
Diese wilde Rache rief ihm Eliza Larocque in den Sinn. »Die Franzosen machen Ernst, wenn sie zornig sind.«
»Napoleon hat dem Vandalismus Einhalt geboten und die Kirche restauriert«, sagte sie. »Er hat sie wieder zur Grabstätte für Könige gemacht.«
»Er kannte sich also in der Basilika aus?«
»Die Verbindung zu den Merowingern hat sicherlich sein Interesse erregt. Dort liegen mehrere Merowinger begraben. Darunter auch, zumindest soweit er wusste, Dagobert.«
Die Tür der Suite ging auf, und Guildhall trat ein. Ein unauffälliges Nicken sagte Ashby, dass die Murrays auf dem Weg waren. Ashby würde sich besser fühlen, wenn er von Getreuen umgeben war. Irgendetwas würde er wegen Eliza Larocque unternehmen müssen. Er konnte nicht in ständiger Unsicherheit leben und sich fragen, ob heute der Tag war, an dem sie ihn schließlich erwischte. Vielleicht konnte er ja mit ihr zu einer Übereinkunft kommen. Sie ließ normalerweise mit sich handeln. Aber er hatte versucht, sie umzubringen, eine Tatsache, die ihr inzwischen mit Sicherheit klar war. Egal. Mit ihr würde er sich später befassen. Jetzt aber … »Gut, Caroline. Sag mir, was geschieht, wenn wir Saint-Denis besuchen?«
»Am besten beantworte ich diese Frage, wenn wir da sind.«
»Weißt du die Antwort denn?«
»Ich denke schon.«
Thorvaldsen stieg aus dem Taxi und erblickte auf der gegenüberliegenden Straßenseite Sam und eine Frau. Er steckte die bloßen Hände in die Manteltaschen und überquerte die Straße. Auf dem von Bäumen gesäumten Boulevard fuhren
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