Cotton Malone 05 - Der Korse
anderes geplant.
Thorvaldsen saß allein in seinem Zimmer im Ritz. Was sollte er jetzt tun? Er war mit seinem Latein am Ende. Sorgfältig geplant hatte er und beinahe alles vorhergesehen – aber nicht einen Massenmord am Pariser Club. Ashby war erfinderisch, das musste man ihm lassen. Eliza Larocque musste außer sich sein. Ihr fein ausgeklügelter Plan war ein Scherbenhaufen. Wenigstens merkte sie jetzt, dass Thorvaldsen über ihren angeblich vertrauenswürdigen britischen Lord die Wahrheit gesagt hatte. Jetzt hatte Ashby zwei Leute auf den Fersen.
Das rief ihm wieder Malone, das Buch und Murad in den Sinn.
Vielleicht wusste ja der Professor etwas?
Thorvaldsens Handy läutete.
Auf dem Display leuchtete Unbekannt auf, aber er nahm trotzdem ab.
»Henrik«, sagte Sam Collins. »Ich brauche deine Hilfe.«
Thorvaldsen wollte wissen, ob alle um ihn herum Lügner waren. »Was treibst du eigentlich?«
Am anderen Ende der Leitung blieb es still. Schließlich sagte Sam: »Ich bin vom Justizministerium engagiert worden.«
Thorvaldsen war froh, dass der junge Mann ihm die Wahrheit gesagt hatte. Daher revanchierte er sich. »Ich habe dich im Eiffelturm gesehen. Im Sitzungssaal.«
»Das hatte ich mir fast gedacht.«
»Was geht hier vor sich, Sam?«
»Ich beschatte Ashby.«
Das war die beste Nachricht seit langem. »Für Stephanie Nelle?«
»Nicht konkret. Aber mir blieb keine andere Wahl.«
»Hast du eine Möglichkeit, sie zu kontaktieren?«
»Sie hat mir ihre Nummer gegeben, aber ich hatte Hemmungen, sie anzurufen. Ich wollte erst mit dir reden.«
»Sag mir, wo du bist.«
Malone ging zu dem Notebook, während Stephanie die verbliebenen zwei Räume der Wohnung absuchte.
»Leer«, rief sie.
Er kniete sich hin. Der Zähler lief weiter und näherte sich einer Minute. Er bemerkte ein Gerät, das auf der Seite in einer USB-Schnittstelle steckte – daher also die Funkverbindung. Oben rechts im Bildschirm zeigte die Batterieanzeige achtzig Prozent. Das Notebook lief noch nicht lange.
Noch einundvierzig Sekunden.
»Sollten wir hier nicht verschwinden?«, fragte Stephanie.
»Lyon wusste, dass wir kommen würden. Es ist wie vorhin im Invalidendom: Wenn er uns töten wollte, gäbe es einfachere Möglichkeiten.«
Achtundzwanzig Sekunden.
»Dir ist doch klar, dass Peter Lyon ein amoralischer Drecksack ist.«
Neunzehn Sekunden.
»Henrik hat mich siebenmal angerufen«, sagte Malone, während beide den Bildschirm beobachteten.
»Du wirst dich mit ihm befassen müssen.«
»Ich weiß.«
Zwölf Sekunden.
»Vielleicht irrst du dich, und es ist doch eine Bombe hier«, murmelte sie.
Neun Sekunden.
»Ich habe mich schon früher geirrt.«
Sechs Sekunden.
»Vorhin im Ehrenhof hast du etwas ganz anderes gesagt.«
Eine fünf erschien, und dann kam vier, drei, zwei, eins.
61
Ashby wartete auf Carolines Erklärung. Sie genoss die Situation ganz eindeutig.
»Wenn man der Legende glauben kann, wusste nur Napoleon, wo der Schatz lag«, berichtete sie. »Er hat diese Information, soweit wir wissen, niemandem anvertraut. Nachdem er merkte, dass er auf St. Helena sterben würde, musste er seinem Sohn die Lage des Schatzes übermitteln.«
Sie zeigte auf die vierzehn handschriftlichen Zeilen. »›König Dagobert und Sion gehört dieser Schatz und er liegt da tot.‹ Es ist recht einfach.«
Vielleicht für jemanden mit mehreren akademischen Graden in Geschichte, aber nicht für ihn, dachte Ashby mürrisch.
»Dagobert war ein Merowinger, der Anfang des siebten Jahrhunderts regierte. Er vereinigte die Franken und machte Paris zu seiner Hauptstadt. Er war der letzte Merowinger, der wirkliche Macht ausgeübt hat. Die Merowingerkönige nach ihm waren schwache Herrscher, die den Thron als Kinder erbten und nur lange genug lebten, um einen männlichen Nachfolger zu zeugen. Die wahre Macht lag in den Händen der Adelsfamilien.«
In Gedanken war Ashby noch immer bei Peter Lyon und Eliza Larocque und der Bedrohung, die die beiden darstellten. Er wollte handeln, nicht zuhören. Aber er ermahnte sich, geduldig zu bleiben. Caroline hatte ihn noch nie enttäuscht.
»Dagobert hat die Basilika Saint-Denis im Norden von Paris errichten lassen. Er war der erste König, der dort bestattet wurde.« Sie machte eine Pause. »Er liegt noch immer dort.«
Ashby versuchte, sich an das zu erinnern, was er über die Basilika wusste. Ursprünglich war über dem Grab des heiligen Dionysius, eines im dritten Jahrhundert von den Römern zum Märtyrer
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