Cotton Malone 05 - Der Korse
bekämpft, und einige der Opfer dieser Fehden lagen hier auf dem Friedhof begraben. Offiziell gab es keine Vendettas mehr, aber die korsische Politik war noch immer mit Überbleibseln dieser Praxis durchsetzt. Mord und Gewalt kamen häufig vor. Diese politische Taktik hatte sogar einen Namen. Règlement de Compte. Rechnungen begleichen.
Nun wurde es Zeit, diese Rechnung hier zu begleichen.
»Normalerweise würde ich die Sache meinem Anwalt übergeben.«
»Einem Anwalt? Sie wollen uns verklagen?«, fragte der Korse.
»Himmel, nein.«
Der Korse lachte. »Ich habe mich schon gewundert. Könnten wir nicht zu einer Übereinkunft kommen? Schließlich haben wir Ihnen ja einen Teil der Antwort geliefert. Können wir das Geld behalten, das Sie uns bereits gegeben haben?«
»Dafür müsste ich Ihnen Ihren Betrug verzeihen.«
»Der liegt in meiner Natur«, sagte der Korse. »Ich bin da hilflos. Wie wäre es mit der Hälfte des Geldes für unsere Mühe?«
Ashby beobachtete, wie Guildhall sich langsam von den beiden Männern zurückzog. Sumner und die beiden jüngeren Murrays waren bereits zurückgetreten, da sie spürten, was bevorstand.
»Die Hälfte kommt mir ein bisschen viel vor«, sagte Ashby. »Wie wäre es mit …?«
Zwei Schüsse hallten durch die Nacht.
Beide Korsen taumelten, als die Kugeln aus Guildhalls Pistole ihren Schädel durchschlugen. Ihre Körper sackten zusammen, dann kippten die Leichen nach vorn und stürzten in das offene Grab.
Problem gelöst.
»Schließt das Grab und sorgt dafür, dass man nichts sehen kann.« Er wusste, dass die Murrays sich darum kümmern würden.
Mr. Guildhall trat zu ihm, und Ashby fragte: »Wie lange wird es dauern, das Gold zu holen?«
»Wir haben es schon. Es liegt im Transporter.«
»Ausgezeichnet. Ladet es auf die Archimedes. Wir müssen aufbrechen. Morgen habe ich anderswo zu tun.«
15
Dänemark
Malone und Thorvaldsen verließen das Schlafzimmer und gingen in Christiangades Eingangshalle. Von dort stieg Thorvaldsen eine Treppe zum nächsten Stockwerk hoch, wo er einem mit dänischer Kunst und Antiquitäten ausstaffierten, breiten Korridor zu einer verschlossenen Tür folgte. Malone wusste, wohin sie gingen.
In Cais Zimmer.
Das war ein gemütlicher Raum mit einer hohen Decke, pastellfarben verputzten Wänden und einem englischen Himmelbett.
»Er hat das hier immer seinen Nachdenkraum genannt«, sagte Thorvaldsen und schaltete drei Lampen ein. »Dieses Zimmer ist viele Male umgestaltet worden. Erst war es ein Babyzimmer, dann ein Kinderzimmer für einen kleinen Jungen, dann der Zufluchtshafen eines Jugendlichen und schließlich der Rückzugsort eines erwachsenen Mannes. Lisette hat das immer mit Begeisterung angepackt.«
Malone wusste, dass es ein Tabu war, auf Thorvaldsens verstorbene Frau zu sprechen zu kommen. In den zwei Jahren, seit er den Dänen kannte, hatten sie nur ein einziges Mal über sie gesprochen und da auch nur flüchtig. Ihr Porträt hing unten, und weitere Fotos von ihr waren im ganzen Haus zu sehen. Es schien, als sei nur die visuelle Erinnerung an ihr geheiligtes Gedächtnis gestattet.
Nie zuvor hatte Malone Cais Zimmer betreten dürfen, und ihm fiel auf, dass auch hier visuelle Erinnerungsstücke zu finden waren – die Regale waren mit Nippessachen gefüllt.
»Ich komme oft hierher«, sagte Thorvaldsen.
Malone musste die Frage stellen: »Ist das denn gesund?«
»Wahrscheinlich nicht. Aber ich muss mich an etwas festhalten, und dieses Zimmer ist alles, was mir geblieben ist.«
Malone wollte wissen, was los war, und so hielt er den Mund, hörte zu und widersprach seinem Freund nicht. Thorvaldsen lehnte gebeugt an einer Frisierkommode, auf der Familienfotos standen. Eine unermessliche Trauer schien ihn zu packen.
»Er wurde ermordet, Cotton. In der Blüte seiner Jahre vollkommen sinnlos niedergeschossen.«
»Was für Beweise hast du?«
»Cabral hatte vier Schützen engagiert. Drei gingen zu diesem Platz …«
»Und ich habe sie getötet.« Die Heftigkeit, mit der Malone diese Wahrheit betonte, erschreckte ihn selber.
Thorvaldsen sah ihn an. »Genau. Ich habe den vierten gefunden. Er hat mir berichtet, was geschehen ist. Er hat gesehen, was du getan hast. Wie du die beiden Schützen erschossen hast. Er sollte eigentlich dem dritten Mann Deckung geben, dem Mann, der dich angeschossen hat, ist aber vom Platz geflohen, als du angefangen hast zu schießen. Er hat Angst vor Cabral bekommen und ist deshalb untergetaucht.«
»Und warum
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