Cotton Malone 05 - Der Korse
Bedauern erfüllte Thorvaldsen.
Nur noch ein einziges Jahr.
Er sah Malone an.
»Cotton, Amando Cabral hat mein einziges Kind ermordet. Jetzt ist er tot. Graham Ashby wird genauso zur Verantwortung gezogen werden.«
»Dann bring ihn um und fertig.«
»Das reicht mir nicht. Erst will ich ihm alles nehmen, was ihm etwas bedeutet. Ich möchte, dass er gedemütigt wird und in Schande lebt. Ich möchte, dass er denselben Schmerz fühlt, der mich jeden Tag überwältigt.« Er hielt inne. »Aber ich brauche deine Hilfe.«
»Die hast du.«
Thorvaldsen streckte die Hand aus und ergriff seinen Freund bei der Schulter.
»Was ist mit Sam und seinem Pariser Club?«, fragte Malone.
»Damit werden wir uns ebenfalls befassen. Der Club erfordert Beachtung. Wir müssen sehen, was dort los ist. Sam hat viele seiner Informationen von einem Freund in Paris. Ich hätte gerne, dass ihr beide diesen Mann aufsucht. Und so viel wie möglich in Erfahrung bringt.«
»Wenn wir das tun, wirst du dann auch alle Mitglieder des Clubs umbringen?«
»Aber nicht doch. Ich werde dem Club beitreten.«
ZWEITER TEIL
18
Paris, Frankreich
13.23 Uhr
Malone liebte Paris. Er betrachtete es als eine glückliche Verbindung von Altem und Neuem, einen Ort, der vor Leben pulsierte. Während seiner Arbeit für das Magellan Billet hatte er die Stadt oft besucht und kannte sich in ihren alten Straßen und Gassen aus. Trotzdem war er über diesen Auftrag nicht glücklich.
»Wie haben Sie diesen Mann kennengelernt?«, fragte er Sam.
Sie waren am Vormittag von Kopenhagen direkt zum Flughafen Charles de Gaulle geflogen und hatten ein Taxi ins lebhafte Quartier Latin genommen, das seinen Namen dem Umstand verdankte, dass vor langer Zeit auf dem Universitätsgelände als Sprache nur Lateinisch gestattet gewesen war. Wie nahezu alles andere hatte Napoleon auch den Gebrauch des Lateinischen abgeschafft, aber der Name war geblieben. Offiziell als fünftes arrondissement bekannt, blieb das Viertel ein Zufluchtsort für Künstler und Intellektuelle. Studenten der nahegelegenen Sorbonne bevölkerten seine gepflasterten Gassen, auch wenn dort viele Touristen unterwegs waren, die sich sowohl von der Atmosphäre als auch von der großen Zahl von Geschäften, Cafés, Galerien, Bücherständen und Nachtclubs angezogen fühlten.
»Wir haben uns online kennengelernt«, sagte Sam.
Malone hörte zu, während Sam ihm von Jimmy Foddrell erzählte, einem ehemaligen Amerikaner, der nach Paris gekommen war, um dort Wirtschaftswissenschaften zu studieren, und beschlossen hatte zu bleiben. Foddrell hatte vor drei Jahren eine Website online gestellt – GreedWatch.net –, die unter New-Age-Anhängern und Vertretern von Weltverschwörungstheorien populär geworden war. Der Pariser Club gehörte zu seinen neueren Obsessionen .
Man kann nie wissen, hatte Thorvaldsen zuvor zu Malone gesagt, Foddrell muss seine Informationen ja irgendwoher beziehen, und vielleicht gibt es da etwas, das wir gebrauchen können.
Da Malone dieser Logik nicht widersprechen konnte, war er bereit gewesen, nach Paris zu fahren.
»Foddrell hat an der Sorbonne einen Master in Globalökonomie gemacht«, berichtete ihm Sam.
»Und was hat er damit angefangen?«
Sie standen vor einer niedrigen Kirche, die als ST.-JULIEN-LE-PAUVRE gekennzeichnet war, angeblich die älteste Kirche in Paris. Nach rechts, die Rue Galande hinunter, erkannte Malone in einer Reihe alter Häuser und Kirchturmspitzen eine der meistgemalten Szenen am linken Seine-Ufer. Links von ihnen, auf der anderen Seite eines belebten Boulevards und der ruhigen Seine, stand Notre-Dame, wo sich zur Weihnachtszeit die Besucher drängten.
»Nichts, worüber ich Bescheid wüsste«, antwortete Sam. »Er scheint an seiner Website zu arbeiten – und sich in weltweite ökonomische Verschwörungstheorien verbissen zu haben.«
»Was es schwierig macht, einen richtigen Job zu bekommen.«
Sie kehrten der Kirche den Rücken und gingen auf einem gepflegten, von Wintersonnenlicht getüpfelten Sträßchen zur Seine. Ein kalter Wind wirbelte auf dem trockenen Pflaster Blätter auf. Sam hatte Foddrell eine E-Mail geschickt und um ein Treffen gebeten. Das hatte zu einem weiteren E-Mail-Austausch geführt, und schließlich hatte er die Anweisung erhalten, zur 37 Rue de la Bûcherie zu gehen, die, wie Malone jetzt sah, ausgerechnet ein Buchantiquariat war.
Shakespeare & Company …
Er kannte den Laden. Jeder Pariser Reiseführer stellte diese
Weitere Kostenlose Bücher