Cotton Malone 05 - Der Korse
durch den Kopf, während er über Meagans drei Fragen nachdachte. Vor siebzehn Jahren, als er ohne Sicherheitsseil auf den Felsen geklettert war, hatte er begriffen, dass Norstrum recht gehabt hatte.
Tollkühnheit kann dein Tod sein.
Gestern im Museum hatte er diese Lektion vergessen.
Aber heute nicht.
Stephanie Nelle hatte ihn für einen Job ausgewählt. War der mit Risiken verbunden? Ja, mit vielen. Aber sie sollten angemessen und berechenbar sein.
Nichts Verwegenes.
»Ich möchte vorsichtig sein, Meagan. Und das sollten Sie auch.«
42
England
14.40 Uhr
Ashby schaute auf seine Uhr und stellte fest, dass der Bentley für die Fahrt vom Flughafen Heathrow nach Salen Hall etwas über eine Stunde gebraucht hatte. Außerdem bemerkte er, dass seine Gärtner und Handwerker mit der Pflege des Anwesens beschäftigt waren. Der Seepferdchenbrunnen, der Kanalteich und der Wasserfall waren allerdings den Winter über stillgelegt. Abgesehen von einer Vergrößerung der Stallungen und einem neuen Küchen- und Dienstbotenflügel war das Haupthaus seit dem achtzehnten Jahrhundert unverändert geblieben. Dasselbe galt für die Wälder und Weiden des Anwesens. Früher war das Land Moorgebiet gewesen. Ashbys Vorfahren hatten die Wildnis zurückgedrängt und das Tal mit Gras und Zäunen gezähmt. Ashby war sowohl auf die Schönheit seines Zuhauses als auch auf dessen Unabhängigkeit stolz, denn es war eines der letzten britischen Rittergüter in Privatbesitz, die nicht auf die Einnahmen durch den Tourismus angewiesen waren.
Und das würde auch so bleiben.
Der Bentley hielt am höchsten Punkt einer gekiesten Sackgasse. In der strahlenden Sonne schimmerten orangeroter Backstein und Bleiglasfenster. Wasserspeier grinsten boshaft vom Dach herunter, waagerecht vorkragend, als wollten sie Eindringlinge warnen.
»Ich recherchiere noch ein bisschen«, sagte Caroline zu ihm, als sie ins Haus traten.
Gut. Er musste nachdenken. Er und Mr. Guildhall gingen direkt in sein Arbeitszimmer, und Ashby setzte sich hinter den Schreibtisch. Dieser Tag hatte sich katastrophal entwickelt.
Er hatte sich auf dem kurzen Rückflug von Paris still verhalten und das Unvermeidliche hinausgezögert. Jetzt griff er zum Hörer und wählte Eliza Larocques Handynummer.
»Ich hoffe, Sie haben noch mehr gute Nachrichten«, sagte diese.
»Leider nicht. Das Buch war nicht da. Ist es vielleicht während der Renovierungsarbeiten weggebracht worden? Ich habe die Vitrine und die anderen Ausstellungsstücke vorgefunden, aber nicht das Buch über die Merowinger.«
»Die Information, die ich erhalten habe, war sehr eindeutig.«
»Das Buch war nicht da. Können Sie die Sache noch einmal überprüfen?«
»Natürlich.«
»Können wir uns vielleicht morgen Vormittag, wenn ich wegen der Sitzung nach Paris zurückkehre, vorher unter vier Augen unterhalten?«
»Ich bin ab zehn Uhr dreißig dort.«
»Bis dann.«
Er legte auf und sah auf die Uhr.
Noch vier Stunden. Dann sollte das Treffen mit seinem amerikanischen Kontaktmann stattfinden. Er hatte gehofft, dass das seine letzte Unterredung sein würde, da er diesen Seiltanz satt hatte. Er wollte Napoleons Schatz haben und er hatte gehofft, den Schlüssel dazu in dem Buch aus dem Hôtel des Invalides zu finden. Jetzt verfügten die verdammten Amerikaner darüber.
Er würde heute Abend verhandeln müssen.
Morgen wäre es zu spät, viel zu spät.
Eliza legte auf und dachte an das zurück, was Henrik Thorvaldsen vorhergesagt hatte. Wenn ich mich nicht in ihm irre, wird er Ihnen erklären, dass er das Gesuchte nicht finden konnte – dass es nicht da war oder eine andere derartige Entschuldigung. Was hatte Thorvaldsen ihr außerdem noch gesagt, bevor sie das Essen beendeten und das Restaurant verließen? Sie können dann selbst urteilen, ob das die Wahrheit oder eine Lüge ist.
Sie befand sich sicher in ihrem Haus im Marais, nicht weit von dem Ort, an dem der Pariser Club sich normalerweise versammelte. Das Domizil befand sich seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts im Besitz ihrer Familie. Sie war zwischen diesen eleganten Wänden aufgewachsen und verbrachte auch heute noch den größten Teil ihrer Zeit hier. Ihre Informanten in der französischen Regierung hatten ihr versichert, dass das Buch, das sie suchte, im Museum lag. Es war ein eher unbedeutendes Erinnerungsstück von geringem historischem Wert, abgesehen davon, dass es sich in Napoleons persönlicher Bibliothek befunden hatte und in seinem Testament
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