Couchgeflüster
Geschäfte verwickelt sein? Drogen?!
Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt und mein krauses Gehirn Purzelbäume schlägt. Drogenhändler sind doch auch viel mit dem Flugzeug unterwegs. Bleibt er deshalb so vage, was seinen Beruf betrifft?
Berlin ist bestimmt ein lukrativer Platz für jegliche Art von Drogen. Wie man inzwischen weiß, dröhnen sich ja nicht nur Künstler und Schauspieler, sondern auch Politiker regelmäßig zu.
Ach du Schreck, bin ich etwa dabei, mich in einen Kriminellen zu verlieben?
«Ist dir nicht gut?» Ben blickt mich aufmerksam an. «Du glühst ja.»
«Ähm … nein», stottere ich. «Das
Inferno
war wohl doch etwas zu scharf. Aber auch unheimlich lecker», schiebe ich eilig hinterher, damit er nicht denkt, das Essen hätte mir nicht geschmeckt.
«Dann brauchen wir jetzt dringend eine Abkühlung», schlägt er vor und winkt dem Kellner. «In Mitte gibt es ein einen ziemlich coolen Jazz-Club. Da kannst du mir einen Absacker ausgeben.»
Als die Rechnung kommt, zieht Ben wieder einen Packen Scheine aus der Hosentasche.
«Du kannst Kreditkarten wohl nicht leiden?», frage ich und zwirble verträumt eine Haarsträhne um meinen Finger.
Kein Wunder, dass ihn alle Frauen als Erstes fragen, womit er sein Geld verdient. Ist doch eher ungewöhnlich, dass man heutzutage noch so viel Bares mit sich rumschleppt, oder? Und jetzt fallen mir auch seine gepflegten Hände auf. Nach körperlicher Arbeit sehen die jedenfalls nicht aus. Die Chance, dass Ben sein Geld als Surflehrer oder in einemseriösen Beruf wie Schreiner oder Installateur verdient, sind gleich null.
«Aha, du stehst also auf Kreditkarten», stellt Ben scherzhaft fest, bezahlt die Rechnung in bar und legt noch zehn Euro Trinkgeld drauf.
Puh! Das nenne ich großzügig. Oder ist das schon großkotzig? Ich spüre einen Stich in der Herzgegend. Nur eine Idiotin würde nicht merken, dass dieser Mann etwas verheimlicht.
Durchatmen und keine Panik!, ermahne ich mich. Es muss doch eine Möglichkeit geben, ihn ein bisschen auszufragen.
Als wir wenig später, jeder mit einer Flasche Bier in der Hand, im
b-flat
der Jazzmusik lauschen, beginne ich mit der dümmsten Frage aller Zeiten.
«Kommst du oft hierher?»
«Seit einiger Zeit nicht mehr», erwidert Ben knapp. Mehr will er offensichtlich nicht verraten.
«Dabei ist es doch ganz cool hier», werfe ich ein.
«Na ja, um ehrlich zu sein, ist die Musik hier immer ziemlich laut. Wirklich unterhalten kann man sich dabei natürlich nicht.»
Tja, unglücklicherweise ist es hier nicht so voll, dass man zwangsläufig auch miteinander kuschelt, denke ich und nehme noch einen Schluck Bier.
Also bleibt es beim Austausch von Blicken und bei verlegenem Lächeln. Nach einer Weile spielt die Band einen melodischen Blues, und schon bei den ersten Klängen würde ich mich gerne an Bens Schulter schmiegen. Aber ich kann mich ihm ja wohl schlecht so einfach an den Hals werfen. Und ich bin auch keine dieser tollpatschigen Filmdarsteller,die in solchen Momenten grundlos taumeln. Ich werde einen anderen Weg finden müssen.
Vorsichtig trete ich von einem Bein aufs andere und rücke unauffällig näher, bis ich Bens Hemdsärmel auf meiner Haut spüren kann. Als ich gerade überlege, ob ich nicht doch mal eben über meine eigenen Füße stolpern sollte, legt Ben plötzlich seinen Arm um mich und beugt sich zu mir. Sein Gesicht ist ganz nah an meinem Ohr.
«Lass uns abhauen, ja?», flüstert er.
Das tiefe Timbre seiner Stimme kribbelt so sehr in meinem Kopf, dass ich mich beherrschen muss, um nicht zu erwidern:
Zu dir oder zu mir?
«Ähm, ja, gern», höre ich mich stattdessen sagen. «Ist sowieso schon spät.»
Auf dem Weg nach draußen dreht sich Ben mehrmals nervös um.
Merkwürdig. Fühlt er sich etwa verfolgt? Wird er beschattet? Von der Drogenmafia? Ist das der Grund, warum er die Kneipe so unvermittelt verlassen will? Oder hat er womöglich genug von mir?
Auf der Straße steht die unausgesprochene Frage nach dem Was-jetzt-und-Wohin? zwischen uns wie eine unüberwindbare Mauer. Und ehe sich mein Traummann von mir verabschieden kann, komme ich ihm zuvor.
«Danke, Ben, das war wirklich ein wunderbarer Abend.»
«Willst du etwa schon nach Hause, Nelly?»
Verwundert sehe ich ihn an. «Ähm, eigentlich nicht, aber ich muss leider.» Irgendwie werde ich nicht schlau aus ihm. «Also wenn ich nicht ausreichend schlafe, fallen mir morgen im Unterricht die Augen zu, sobald ich ein paarmal
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