Couchgeflüster
… nein, kein Urlaub.» Mist. Wo kann ich denn bloß gewesen sein? «Ähm, ich war in Indien bei einem Yogi auf Fortbildung.»
Was rede ich denn da für einen Stuss? Wenn mich Jacobi jetzt über Indien ausfragt, bin ich geliefert.
«Ach, kick mal eener an», staunt er mit weitaufgerissenen Augen. «Ick wusste ja nich, dat man fürs Beeneverschränken um de halbe Welt jetten muss. Und in de Zwischenzeit ham Se den Laden jeschlossen und allet schleifen lassen, wa?»
«Nein, ja … ähm, also, es war …» Verdammt. Ich kann ihm doch nicht erzählen, dass «Miss Zahlmeister» die Post nur alle vier Wochen öffnet.
Gespannt mustert mich Jacobi mit hochgezogenen Augenbrauen über seine Halbbrille hinweg.
«Ach, wissen Sie, meine Buchhalterin hat mich hintergangen», stöhne ich verzweifelt. «Sie hat mein Vertrauen missbraucht, mich glauben lassen, alles sei in Ordnung, und hinter meinem Rücken das Geschäftskonto abgeräumt. Leider habe ich den Schaden erst bemerkt, als ich aus Indien zurückkam und Ihre beiden Schreiben vorfand, Herr Jacobi. Na, und so kam es, dass sich die ganze Sache verzögert hat.»
Möglicherweise habe ich etwas zu dick aufgetragen, aber schließlich steht meine Existenz auf dem Spiel.
«Det iss ja een Ding!» Mitfühlend sieht mich mein Vermieter an. «Ick sach ja och immer: Hermann, sach ick immer, nur wat de selbst erledigst, iss jut … Und wat nu?»
Ich bin platt! Jacobi kauft mir die Story ab. Nun kann ich durchatmen. «Also, ich wollte Sie noch um einen Monat Aufschub bitten, verehrter Herr Jacobi», schleime ich. «Binnen vier Wochen werden aber alle Rückstände beglichen, versprochen.»
Hermann Jacobi kratzt sich nachdenklich am Kopf und murmelt: «Vier Wochen … hmm … mal kiecken … Aber wat iss, wenn Se de Kohle bis dahin nich zusammenkriegen?»
Puh! So einfach scheint er sich also doch nicht abspeisen zu lassen. «Das wird garantiert nicht passieren», versichere ich mit fester Stimme.
Er mustert mich erneut, diesmal ist sein Blick zweifelnd. «Ick globe Ihnen ja, dat Se zahlen wollen, Frolleinchen, aber ick hab schon Pferde vor de Apotheke kotzen sehen. So een Versprechen is mir einfach zu wenig.»
Will er etwa mit mir feilschen? «Tja, sollte dieser Fall tatsächlich eintreten, räume ich unverzüglich den Laden und überlasse Ihnen die gesamte Ausstattung.» Ich drehe mich um und zeige in den Raum. «Wie Sie sehen, ist das Studio in bestem Zustand und perfekt ausgestattet. Allererste Sahne, wenn Sie so wollen. Sie könnten es sofort für eine viel höhere Miete weitervermieten.»
«Na jut.» Jacobi zögert nicht, sondern ergreift die Chance sofort. «Denn lassen Se uns den Handel aber noch schriftlich festhalten.»
Nachdem Jacobi mit dem Pfandschein abgezogen ist, düse ich schnell zu Britta.
Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und reagiert verärgert, als ich ihr von meinem Deal berichte.
«Du träumst mal wieder, Nelly», erklärt sie streng. «Kein Wunder, dass er sich darauf eingelassen hat: Ein besseres Geschäft wird der Mann so bald nicht wieder machen.»
«Aber ich hatte doch keine Wahl», verteidige ich mein ungewöhnliches Verhalten. «Zugegeben, ein kleines Risiko bin ich eingegangen. Vier Wochen sind schnell rum. Andererseits kann in dreißig Tagen auch viel Positives passieren.»
Verständnislos rollt Britta mit den Augen. «Ziemlich naiv, sich auf Zufälle zu verlassen.»
«Finde ich nicht», setze ich dagegen. «In den letzten zwei Wochen haben zwei neue Schülerinnen und deine nette Kollegin Eva Henze, die Kostümbildnerin, ein Zehner-Ticket erstanden. Auch meine Nachmieterin hat versprochen, bei mir zu trainieren, wenn sie in Berlin ist.»
«Freut mich, dass du so zuversichtlich bist», entgegnet Britta wenig überzeugt.
«Warum auch nicht?», frage ich provokant. «Läuft doch alles super. Ich gewinne neue Kunden und kann Geld sparen. Sogar der Umzug war günstiger als gedacht. Nicht zuletzt dank deiner und der Hilfe meiner Mutter, die –»
Kopfschüttelnd blickt mich Britta an. «… die in einem eleganten Kostüm, hochhackigen Pumps und aufwändig frisiert zum Kistenschleppen erschienen ist. Nennst du das etwa Hilfe? Während wir eingepackt und geschleppt haben, saß deine Mutter in der Küche, meckerte rum und behandelte dich wie ein unmündiges Kind. Ob du daran gedacht hättest, das Telefon umzumelden, den Stromzähler abzulesen, den Keller leer zu räumen, und ob die Wohnung noch gestrichen werden müsse
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