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Couchgeflüster

Couchgeflüster

Titel: Couchgeflüster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mira Becker
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dieser Position hoffe ich, Unsicherheiten leichter überspielen zu können. Frau Krüger hat mich jedenfalls nicht im Blickfeld.
    Meine Patientin ruckelt sich derweil auf dem Sofa zurecht, als wolle sie die richtige Schlafposition finden, und faltet dann auch noch die Hände über ihrem Bauch.
    Da sie nicht von sich aus anfängt, etwas zu erzählen, stelle ich ihr eine unverfängliche Frage: «Wie fühlen Sie sich jetzt, Frau Krüger?»
    Also daraus kann mir niemand einen Strick drehen. Selbst wenn ich nur eine Kassiererin im Supermarkt wäre, könnte ich mich nach ihrem Befinden erkundigen.
    «Ausgezeichnet», verkündet sie euphorisch. «Und ich weiß auch schon, wo ich sie hinstelle.»
    «Wie bitte?»
    «Die Couch. Sie kommt in meine Ankleide. Da kann ich mir dann im Liegen überlegen, was ich anziehen möchte. Einfach spitze!»
    Ach du liebe Zeit! Wir sind doch hier nicht in einem angesagten Möbelladen, und ich bin auch keine Verkaufsberaterin.
    «Mmm, ein Kissen wäre schön», grummelt meine Patientin vor sich hin.
    «Ein Kissen?», hake ich ein, um wenigstens irgendetwas zu sagen. Ich kann sie ja kaum zum Möbelhändler schicken.
    «Oder eine Nackenrolle. Hätten Sie vielleicht eine?»
    Okay, zurück auf Anfang. Ich ignoriere ihren Wunsch einfach und stelle ihr stattdessen eine neue Frage: «Waren Sie wegen Ihres Problems bereits in therapeutischer Behandlung?» Die Frage hatte sich ja bei Ben schon bewährt.
    «Nein, aber ich habe es mal mit Eigentherapie versucht», erklärt sie. «Das war leider ein Flop.»
    Aha, das hört sich doch schon mal vielversprechend an, denke ich und frage nach Einzelheiten.
    «Nun, ich war vor kurzem mal im KaDeWe – ohne Geld und ohne Kreditkarte, stellen Sie sich vor! Nur so zum Gucken», erläutert Frau Krüger. «Und kurz bevor mir schwummerig wurde, bin ich schnell in den schicken Glasaufzug gestiegen, um mich abzulenken. Aber nach zwei Stunden Liftfahren war mir so übel, dass ich unbedingt etwas kaufen musste.
    «Ich vermute, das waren Entzugserscheinungen», sage ich schlaumeierisch und füge schnell noch eine weitere Frage hinzu: «Wie wollten Sie denn ohne Geld etwas kaufen?»
    Sie wischt meinen Einwand mit einer heftigen Handbewegung weg, die ihren Armschmuck wie ein Kassenglöckchen klimpern lässt. «Ach, das war kein Problem. Ich bin Stammkundin dort und kann anschreiben. Ich kann überhaupt überall anschreiben, scheint mir. Das macht es ja so schwer, dagegen anzukämpfen.»
    Meine Gedanken wandern zu Ben und meinem Einkauf ohne Geld, und ich muss schmunzeln.
    Frau Krüger holt Luft und berichtet weiter: «Dann kam ich auf die Idee, die Sachen wieder zurückzubringen, was genauso effektvoll sein müsste wie Einkaufen. Dabei läuft die Prozedur ja nur andersrum ab, oder? Leider musste ich feststellen, dass Zurückbringen nur halb so lustig ist.» Sie schnauft frustriert.
    «Sie finden es also nur halb so lustig?» Die Logik erschließt sich mir nicht auf Anhieb.
    «Ist doch klar wie Klärchen», stöhnt sie. «Wenn ich alleswieder in den Laden bringe, muss ich mit leeren Händen nach Hause gehen.»
    Für jemand wie mich, der sich nichts aus Shopping macht, ist das immer noch keine ausreichende Erklärung. «Und wie wär es mit Umtauschen?», schlage ich daher vor. «Dann hätten Sie etwas zum Nachhausetragen.»
    «Auch schon probiert. Ist zwar besser als Zurückbringen, aber so richtig glücklich macht mich das auch nicht.» Jeanettes Antwort klingt so, als wäre allein der Gedanke daran bereits eine große Qual. «Und deswegen liege ich nun hier.»
    «Das tut mir leid», sage ich mitfühlend.
    Abrupt hebt meine Patientin den Kopf und wendet sich mir zu. «Danke schön, Frau Doktor, aber das hilft mir nicht weiter.»
    Mitgefühl scheint hier und jetzt unangebracht zu sein. Ich muss also sofort etwas sehr Schlaues sagen, sonst werde ich noch von einer Kaufsüchtigen entlarvt und vielleicht sogar wegen Vertrauensmissbrauch angezeigt.
    Während Jeanette Krüger mit den Augen rollt und sich enttäuscht zurückfallen lässt, überlege ich panisch, was Mama wohl in dieser Situation fragen würde. Aber ich fürchte, mit solchen Notsituationen kann mein Kräuselgehirn ohne Kopfstand nichts anfangen.
    «Nun   … ähm   …», beginne ich in meiner Verzweiflung zu stottern, ohne zu wissen, was ich eigentlich sagen will, «wie wäre es, wenn Sie   –»
    Ruckartig fährt sie wieder hoch und dreht sich erwartungsvoll zu mir um, als könne ich ihr Problem mit einem

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