Cowboy - Riskanter Einsatz
Honey.“
Sie schaute nicht zurück, als sie die Stufen hinaufging, denn sie wusste genau: Wenn sie sich umdrehte, würde sie feststellen, dass Jones ihr lächelnd nachschaute.
Aber sie wusste auch, dass dieses Lächeln nur eine Maske war, hinter der er seine Frustration und Verzweiflung versteckte. Es war schon schwer genug für ihn, wenn man bedachte, dass er sie nicht wirklich heiraten wollte. Es war schon schwer genug, die Sache einfach nur ins Rollen zu bringen und durchzuziehen. Aber Nacht für Nacht, Tag für Tag hier sitzen und versuchen zu müssen, sie davon zu überzeugen, dass eine Heirat die beste Lösung war, während er selbst nicht wirklich daran glaubte …
Sie empfand Mitleid mit ihm.
Fast so sehr wie mit sich selbst.
„Hey, Jungs! Habt ihr was Interessantes gefunden?“
Cowboy blickte kurz vom Bildschirm des Bücherei-Computers auf. Brittany Evans stand hinter Andys Stuhl. Er drehte sich um, schaute an ihr vorbei und ließ den Blick auf der Suche nach ihrer Schwester rasch durch den Lesesaal schweifen. Aber wenn Melody da war, dann war sie außer Sichtweite, stand irgendwo zwischen den Regalen versteckt.
„Sie ist draußen“, beantwortete Brittany die unausgesprochene Frage. „Sie fühlte sich ein bisschen wackelig. Sie sitzt auf einer Bank vor der Bibliothek und ruht sich ein wenig aus.“
„Sie haben sie allein gelassen?“
„Nur für eine Minute. Aber ich dachte mir, warum soll ich bei ihr sitzen, wenn … Nun ja, ich dachte, Sie freuen sich, wenn ich für eine Weile den Babysitter spiele.“
„Oh ja“, antwortete Cowboy und erhob sich rasch. „Danke.“
Andy funkelte sie beide zornig an. „Hey! Ich brauche keinen Baby bitter!“
„Stimmt“, gab Brittany knapp zurück und ließ sich auf dem Stuhl nieder, den Cowboy frei gemacht hatte. „Du brauchst keinen. Du brauchst einen Aufseher. Also, wonach sucht ihr im Moment? Statistiken über Alkoholvergiftungen mit Todesfolge unter Minderjährigen? Kinder, die durch Alkohol ums Leben gekommen sind – faszinierendes Thema, nicht wahr? Was macht denn dein Magen heute Morgen, wenn ich fragen darf?“
Cowboy wartete Andys Reaktion nicht ab. Er durchquerte das Foyer der Bibliothek, stieß die schwere Holztür auf und trat hinaus.
Mel saß auf einer Bank, genau wie Brittany gesagt hatte. Ihr Anblick ließ ihm immer noch das Herz stocken. Sie war wunderschön. Die helle Herbstsonne brachte ihr goldenes Haar zum Leuchten. Obwohl die Luft eher kühl war, hatte sie ihre Jacke ausgezogen und saß in einem ärmellosen Kleid da. Ihre Arme waren leicht gebräunt und so schlank wie eh und je. Er war davon überzeugt, dass er ihre Handgelenke beide mit Daumen und Zeigefinger einer Hand umfassen konnte. Vorausgesetzt, sie ließ ihn nahe genug an sich heran, um sie zu berühren.
Als er auf die Bank zuging, stellte er überrascht fest, dass sie nicht aufsprang und auswich – bis er bemerkte, dass die Augen hinter den dunklen Gläsern der Sonnenbrille geschlossen waren.
Ihr Gesicht war sehr blass.
„Honey, ist alles in Ordnung mit dir?“ Er setzte sich neben sie.
Ihre Lider blieben geschlossen. „Mir ist so schwindelig“, gab sie zu. „Nur die paar Schritte vom Auto …“ Sie öffnete die Augen und sah ihn an. „Das ist einfach unfair. Meine Mutter war eine dieser lachhaft gesunden Frauen, die einen Tag bevor ich zur Welt kam noch Tennis spielte. Zwei Kinder, und sie hat sich nicht ein Mal übergeben!“
„Aber du hast nicht nur die Erbanlagen deiner Mutter“, warf Cowboy ein. „Zur Hälfte stammen sie auch von deinem Vater.“
Sie lächelte kläglich. „Ein schwacher Trost. Auch er hatte keine Probleme mit Schwangerschaftsübelkeit.“
Der Wind spielte mit ihren Haaren, wehte ihr eine Strähne auf die Wange. Er hätte es gern berührt und zurückgestrichen, wäre gern mit den Fingern durch die seidige Fülle gefahren.
Stattdessen beugte er sich vor und hob ein makelloses rotes Ahornblatt auf, das der Wind vor ihre Füße geweht hatte. „Du sprichst nicht sehr viel von ihm.“
„Er starb in dem Sommer, in dem ich sechzehn wurde.“ Melody zögerte. „Genau genommen habe ich ihn überhaupt nicht richtig gekannt. Wir haben sechzehn Jahre im selben Haus gelebt, aber wir standen uns nicht sehr nahe. Er arbeitete sieben Tage die Woche, achtzehn Stunden am Tag. Er war Börsenmakler. Willst du die grausame Wahrheit wissen? Ich weiß nicht, was meine Mutter an ihm fand.“
„Vielleicht war er Dynamit im Bett.“
Melody
Weitere Kostenlose Bücher