Cowboy - Riskanter Einsatz
sah er sich gezwungen, der Wahrheit ins Auge zu blicken.
Dass er sich übergeben hatte, war eine Nachwirkung seiner Angst. Seine Angst um Melody hatte ihn fest gepackt und nicht mehr losgelassen, hatte seine Innereien durchwühlt und seinen Blutdruck steigen lassen, bis sich ihm der Magen umdrehte.
Es war verrückt. Als SEAL musste er immer wieder hohe Risiken eingehen. Und er kam damit prima zurecht. Er wusste, dass er nahezu alles überleben konnte, wenn er ums Überleben kämpfen musste. Wenn sein Überleben dagegen von etwas abhing, das er nicht in der Hand hatte, dann wusste Cowboy darum. Wie zum Beispiel, wenn sie aus einem Flugzeug absprangen. Er wusste, dass sie alle als undefinierbare Fettflecken auf dem Boden enden würden, wenn der Fallschirm versagte, die Leinen sich verhedderten oder er sich nicht richtig öffnete. Wie gesagt: Wenn sein Leben von einer solchen schicksalhaften Wendung abhing, dann wusste Cowboy, dass es nicht in seiner Hand lag. Deswegen Angst zu haben oder sich Sorgen zu machen änderte nichts. Und deshalb hielt er sich meistens auch gar nicht erst damit auf.
Aber er musste feststellen, dass ihn die Sache nicht ganz so kaltließ, wenn es um Melodys Sicherheit ging. Wann immer er daran dachte, dass der Revolver auf sie gezielt hatte, dann wurde ihm sogar jetzt noch, drei Tage später, speiübel.
Ein ähnliches Gefühl überfiel ihn, wenn er darüber nachdachte, wie sie das Baby, das sie in sich trug, zur Welt bringen sollte.
Wie immer, wenn er sich mit etwas auseinandersetzen musste, von dem er nichts verstand, griff er zu Büchern. Er holte sich einen Stapel Bücher zum Thema Schwangerschaft aus der Bücherei und las fast jedes einzelne davon von vorn bis hinten durch. Die endlose Liste möglicher lebensbedrohlicher Komplikationen von Schwangerschaft und Geburt ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Schock aufgrund von Schwangerschaftsdiabetes. Schlaganfälle wegen der körperlichen Belastung. Manche Frauen verbluteten einfach. Die Sterblichkeitsraten, von denen die Bücher berichteten, entsetzten Cowboy zutiefst. Er konnte kaum glauben, dass heutzutage, angesichts all der Errungenschaften der modernen Medizin, immer noch Frauen starben, nur weil sie ein Kind zur Welt brachten.
Er wäre am liebsten ins Krankenhaus gegangen und hätte Blut für Melody gespendet – nur für den Fall, dass sie es brauchte. Er wusste allerdings, dass sie ihn wegen all der Impfungen, die er aufgrund seiner Auslandseinsätze erhalten hatte, nicht als Blutspender akzeptieren würden.
Er hatte Brittany bereits gefragt, ob ihre Blutgruppe zu der ihrer Schwester passte. Ob sie bereit wäre, für Melody Blut zu spenden und ihm damit ein wenig die Angst zu nehmen. Sie hatte ihn angesehen, als hätte er den Verstand verloren, aber sie hatte Ja gesagt.
Cowboy schaute zum Haus hinauf, zu Melodys Zimmer. Er hoffte, eine Bewegung des Vorhangs zu entdecken, einen Schatten, der ins Zimmer zurückwich, einen Lichtreflex. Aber er sah nichts.
Melody hielt sich vom Fenster fern.
Und seine Geduld ging zur Neige.
11. KAPITEL
M elody saß in ihrem Zimmer, als es klingelte. Sie konzentrierte sich ganz und gar auf ihr Buch und las entschlossen weiter. Es war Jones. Es konnte nur Jones sein.
Vor fünf Tagen war sie vor ihm geflüchtet. Sie war darauf vorbereitet, dass er die Geduld verlieren und sie zur Rede stellen würde.
Andy war unten mit Britts Computer beschäftigt. Melody hatte ihm gesagt, sie wolle sich eine Weile hinlegen. Sie schloss kurz die Augen und betete darum, dass er Jones wieder fortschickte.
Aber dann hörte sie Stimmen. Eine tiefe Stimme, die gar nicht nach Jones klang, und Andys, höher und laut. Sie verstand nicht, was er sagte, aber es hörte sich zornig und aufgeregt an.
Die tiefere Stimme meldete sich wieder zu Wort, und dann hörte sie Lärm. So, als wäre ein Stuhl umgeworfen worden. Nein, das war eindeutig nicht Jones, der da unten bei Andy war.
Melody schloss ihre Tür auf und eilte die Treppen hinunter in die Küche.
„Ich war es nicht“, rief Andy. „Ich habe nichts getan!“
Chief Beatrice hatte sich zwischen Andy und der Tür aufgebaut, um sich den Jungen greifen zu können, falls er wegzulaufen versuchte. „Du tust dir selbst einen Gefallen, mein Sohn, wenn du die Wahrheit sagst.“
Andy schüttelte sich vor Zorn. „Aber ich habe die Wahrheit gesagt!“
„Du wirst mich aufs Revier begleiten müssen, Sohn.“
„Nennen Sie mich nicht so! Ich bin nicht Ihr
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