Cowboy - Riskanter Einsatz
Hause bringen sollte.
„Na, wie geht’s?“
Cowboy blickte von seinem Buch auf und lächelte Andy zu. „Hey, Kleiner! Ich mache Mels Garten winterfest.“
„Nein, tun Sie nicht“, spöttelte Andy. „Sie sitzen da und lesen ein Buch.“
Andys Lippen waren geschwollen, und er hatte eine hässliche Schramme am Kinn. Demnach hatte er sich wieder einmal geprügelt, vermutlich mit dem älteren Jungen, Alex Parks, dem es offenbar diebische Freude bereitete, ihn zu quälen.
In Andys braunen Augen blitzte es provozierend: Wag es ja nicht, mich darauf anzusprechen!
„Ja, stimmt, ich lese ein Buch“, antwortete Cowboy, bewusst nicht auf Andys Verletzungen eingehend. „Das ist der erste Schritt. Ich muss erst lernen, wie man dabei vorgeht. Muss der Kühlschrank repariert werden? Kinderspiel. Gib mir einfach nur das richtige Buch. Ich kann eine Fremdsprache lernen, ein Haus bauen, ein Pferd beschlagen, was immer du willst. Was ich dafür wissen muss, finde ich in der Bücherei. Garantiert. Besonders, wenn sie einen Internetanschluss hat.“
Andy musterte die Beete, die verwelkten und erfrorenen Pflanzen, die letzten Bohnen, die störrisch am Leben hingen. Dann sah er Cowboy an, völlig unbeeindruckt. „Was soll es da schon zu tun geben? Alles ist tot. Man kann sowieso nichts Neues pflanzen, bevor es wieder Frühling wird.“
„Hast du schon mal von Mulchen gehört?“, fragte Cowboy.
„Nein.“
„Ich auch nicht. Jedenfalls nichts Genaueres, bevor ich dieses Buch in die Finger bekommen habe. Aber offensichtlich ist das eine nützliche Sache. Ich habe noch nicht herausgefunden, wozu sie gut ist, aber das kommt sicher noch.“
Andy verdrehte die Augen. „Wissen Sie, es gibt eine viel einfachere Methode.“
„So?“
„Ja. Fragen Sie einfach Melody, was sie erledigt haben möchte.“
Frag Melody. Das war eine verdammt gute Idee. Nur leider konnte Cowboy Melody nichts fragen, solange sie sich vor ihm versteckte.
Der Zwischenfall in Honey Farms lag jetzt drei Tage zurück. Den Verbrecher, so hatte sie den Laden genannt. Und der Name passte: Sie waren prompt in ein Verbrechen hineingestolpert. Nomen est omen.
Gott im Himmel, er hatte noch nie solche Angst gehabt wie in dem Moment, als er den Revolver entdeckte. Ihm blieb etwa eine Zehntelsekunde, um zu entscheiden, was er tun sollte – und in diesem winzigen Augenblick hatte er zum ersten Mal in seinem Leben ernstlich in Erwägung gezogen zu kneifen. Er hatte tatsächlich darüber nachgedacht zu kapitulieren.
Aber er konnte in diesem kurzen Moment nicht feststellen, ob die beiden unter Drogen standen. Er wusste nicht mit Gewissheit, ob sie Herr ihrer Sinne waren oder berauscht von Gott weiß was, total überdreht, verzweifelt und womöglich bereit, jeden wegzupusten, der sie auch nur schief ansah.
Er wusste nur aus eigener Erfahrung: Wenn er eine Waffe trug, war er bereit, sie auch zu benutzen. Er musste davon ausgehen, dass dasselbe für diese beiden Clowns galt. Also überrumpelte er die beiden in genau dem Bruchteil einer Sekunde, in dem der Revolver nicht mehr auf den Kassierer zielte.
Der Kampf dauerte insgesamt nur etwa fünfundachtzig Sekunden.
Fünfundachtzig endlose Sekunden. Die reinste Hölle.
Melody war nur dagestanden, hatte ihn angestarrt. Sie duckte sich nicht, ging nicht in Deckung. Sie stand einfach nur da. Ein Ziel. Sie lud förmlich dazu ein, sich niederschlagen oder gar mit Blei vollpumpen zu lassen. Wenn der Mistkerl seine Waffe wieder in die Finger gekriegt hätte …
Es kostete Cowboy doppelt so viel Zeit wie normalerweise, den Feind zu überwältigen und endgültig zu entwaffnen. Seine Angst, Melody könne verletzt oder getötet werden, stand ihm im Weg. Deshalb reagierte er sich hinterher an ihr ab. Er schrie sie an, obwohl er sie im Grunde nur in die Arme nehmen und bis ans Ende aller Zeiten festhalten wollte.
Sie war nicht begeistert von seinem Auftritt, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Und sie lief wieder vor ihm davon.
Bevor sie den Laden betreten hatten, war sie so weit gewesen, ihn mit in ihr Schlafzimmer zu nehmen und die Nacht mit ihm zu verbringen. Dessen war er sich nahezu sicher. Er war so nah dran gewesen!
Umso schlimmer war es jetzt. Er hatte sie drei Tage lang nicht einmal zu Gesicht bekommen. Sexentzug? Pah! Allein der Umstand, dass er sie nicht sah, trieb ihn schon zum Wahnsinn.
„Soll ich Melody für Sie fragen?“, schlug Andy vor. „Ich gehe sowieso rein. Britt hat mir erlaubt, ihren Computer
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