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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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atmen ist übermächtig. Aber er kann nicht, er darf nicht. Er rennt immer weiter, gelangt nirgendwohin, mit jedem panischen Schritt graben sich seine Füße nur noch tiefer in den nassen Sand, bis er sie nicht mehr herausziehen kann. Da reißt er in seiner Verzweiflung den Mund weitauf und das ekelhafte Meereswasser strömt in seinen Hals und seine Lungen.
    Alex schreckte hoch. Er setzte sich im Bett auf. Sein Herz schlug zum Zerspringen, und er rang nach Luft, als müsste er tatsächlich ertrinken.
    War das wieder sein Asthma? War er vierundzwanzig Stunden nach dem Wechsel in seinen eigenen Körper zurückgekehrt? Er tastete nach der Nachttischlampe und hätte sie beinahe heruntergeworfen. Die jähe Helligkeit blendete ihn. Aber als er die Augen öffnen konnte, verriet ihm ein einziger Blick auf diesen Unterarm, die Hand und die Finger alles, was er wissen musste.

6
     
    »He, du bist Cherry, stimmt’s?«
    »Ge-nau, die Gleiche wie immer.«
    »Wie läuft’s?«
    Das Mädchen blickte Alex an und drehte sich dann wieder zu ihrem Spind um, legte Sachen hinein und holte andere heraus. »Philip, falls es um gestern geht   …«
    »Nein, es hat nichts damit   …«
    Sie wandte sich halb zu ihm um und schaute ihn direkt an. Ihre Augen waren grau, ihr Gesichtsausdruck nicht zu deuten. Aus der Nähe sah sie sogar noch blasser aus, ihre Haare kamen ihm noch lockiger vor als am Tag zuvor auf dem Parkplatz. »Keine Sorge«, sagte sie, »ich erzähl’s nicht weiter.«
    »Es ist nicht
deswegen.
« Weil er Angst hatte, dass sie im nächsten Moment am Spind fertig sein und einfach weggehen würde, ehe er die Möglichkeit hatte zu sagen, was er ihr sagen wollte, plapperte Alex drauflos. »Es ist wegen dem, was du in Englisch gesagt hast. Über Gerard Manley Hopkins.«
    Sie verkniff sich ein Lächeln. »
Du
willst dich mit mir über
Gedichte
unterhalten?«
    »Nein. Ja, doch. Ich wollte bloß   …«
    »Echt, Philip, ich habe keine Ahnung, was das soll,wahrscheinlich geht es um irgendeine Wette mit Jack, aber spielt eure Spielchen bitte mit den anderen Mädchen, okay?«
    Auf dem Gang war viel los. Alex merkte, dass sie die Aufmerksamkeit auf sich zogen, er und das Mädchen. Cherry Jones. Sie schlug ihren Spind zu und ließ das Vorhängeschloss zuschnappen.
    »Ich hab in dem Haus ein paar von seinen Gedichten in einer Anthologie gefunden«, sagte er.
    Über die näheren Umstände ließ er sich nicht aus. Dass er nach dem Albtraum nicht mehr einschlafen konnte, ins Wohnzimmer geschlichen war und in den Bücherregalen etwas zu Lesen gesucht hatte. Und dass er, wegen Cherry, bei Hopkins hängen geblieben war und bis in die frühen Morgenstunden gelesen hatte.
    »In
dem
Haus?«
    »In Flips Haus.«
    »Also bei dir zu Hause, oder?« Jetzt lächelte sie ganz offen. So wie man jemanden anlächelt, der sein Hemd verkehrt herum anhat und es nicht merkt. »Du redest von dir in der dritten Person. Hast du ein Ego- oder Identitätsproblem?«
    In diesem Augenblick erinnerte sie ihn an Teri. »Ich finde Hopkins richtig gut«, sagte er. »Ich meine, er hat’s ein bisschen zu sehr mit Gott und so, aber das, was du gestern gesagt hast   … mit dem
Rhythmus   …
«
    »Ich weiß schon, was los ist, Philip.« Sie stand vor ihm, die Schultasche über die Schulter geworfen. Dann senkte sie die Stimme: »Es ist dir peinlich, was gestern auf demParkplatz passiert ist. Weil ich es gesehen habe. Und jetzt glaubst du, du müsstest supernett zu mir sein   …«
    »Es ist mir nicht peinlich.«
    Als er es aussprach, stellte er fest, dass es stimmte. Es war Alex nicht mehr peinlich, dass ihn jemand hatte schluchzen sehen, dass er Selbstgespräche geführt und nach seiner Mum gerufen hatte. Als
er selbst
wäre es ihm vermutlich peinlich gewesen, aber als Flip kümmerte es ihn   – zu seiner eigenen Verwunderung   – wenig, was andere von ihm hielten. Es war wie bei einer Kostümparty: Man konnte sich aufführen, wie man wollte, ohne sich blöd vorzukommen. Cherry war gestern im Klassenzimmer so cool gewesen, als die anderen sie ausgelacht hatten. So wollte er auch sein. Und in diesem Augenblick war er auch so. Er sprach mit einem Mädchen. Mit einem Mädchen, das ihn in einem Augenblick der Schwäche ertappt hatte. Und es war ihm nicht peinlich. Er schämte sich nicht.
    »Ich erzähl’s bestimmt nicht weiter«, sagte Cherry. »Du musst deshalb nicht nett zu mir sein. Okay?«
    »Ich wollte wirklich nicht
deswegen
mit dir reden.«
    Auch jetzt erwiderte

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