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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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Krankenschwestern.«

10
     
    Die Stimmung schlug um, als Dad nach Hause kam.
    Nachdem er einigermaßen überrascht gewesen war, als er seine Frau mit einem wildfremden Jungen die Treppe herunterkommen sah, gab er sich höflich, mehr nicht. Mum stellte ihm »Philip« als einen Freund von Alex aus dem Schachklub vor, und während Dad seine Jacke an die Geraderobe hängte, riss er sich zusammen und gab sich Mühe, darauf einzugehen.
    »Du siehst eher wie ein Rugby- als ein Schachspieler aus.« Er zeigte auf Alex’ Mund und sagte schmunzelnd: »Oder ein Boxer.«
    Alex wusste, dass er etwas sagen sollte, aber ihm fiel nichts ein.
    »Ich bin Ed.« Dad streckte ihm die Hand hin. Alex schüttelte sie, spürte seine Hand in der seines Vaters. Seine Hand war jetzt größer als früher und nicht mehr so leicht zu zerquetschen.
    »Philip.«
    »Er ist in Mrs Harewoods Klasse«, sagte Mum.
    Es war total unwirklich, seinen Vater so zu sehen. Total verwirrend, nach dem, was Mum eben in Alex’ Zimmer gesagt hatte. Das mit den
Krankenschwestern
und dass
Ed dort rund um die Uhr wäre, wenn man ihn ließe.
InAlex’ Kopf wollten diese Puzzleteile immer noch kein richtiges Bild ergeben, und jetzt das: Dad, der ihm in der Diele die Hand gab und höflich plauderte. Er trug sein braunkariertes Hemd (von der Sorte gab es noch fünf andere in verschiedenen Farben), Jeans und die gelbbraunen Arbeitsschuhe mit den dicken Sohlen und den Schutzkappen. Es war seine typische Arbeitskleidung, denn obwohl er schon seit einigen Jahren als Transport-Manager in seinem eigenen Büro hinterm Schreibtisch saß, war er im Grunde seines Herzens immer noch
einer von den Jungs.
Wenn im Lager jemand gebraucht wurde, sprang er ein, half beim Beladen der Laster oder setzte sich notfalls auch selbst ans Steuer. Sie nannten ihn »Ed«, nicht »Chef« oder »Mr Gray«. Darauf bestand er. Sein linker Daumennagel war und blieb blauschwarz, weil er sich einmal die Hand unter einer Palette eingeklemmt hatte. Zum Zeitpunkt des Unfalls war Alex noch klein gewesen. Der verunstaltete Daumen hatte immer eine gruselige Faszination auf ihn ausgeübt. Als er ihn jetzt sah, weil Dad sich bückte, um seine Schnürsenkel aufzuknoten, überkam ihn eine jähe Zuneigung zu seinem Vater, deren Heftigkeit ihn selbst überraschte.
    »Soll ich Wasser aufsetzen?«, fragte Mum.
    Dad stieg aus den Stiefeln. »Gerne.«
    »Ich hab eine Kanne gemacht, aber die dürfte inzwischen kalt sein.« Sie ging in die Küche.
    Alex kam es fast vor, als hätten die beiden vergessen, dass er da war.
Was haben Sie denn im Krankenhaus gemacht,
hätte er gern gefragt. Die Antwort schwebte drohend über ihm   – zugleich offensichtlich und unfassbar   –, aber er musste es von
ihnen
erfahren. Er musste es aus ihrem Mund hören, denn er selbst war zu entsetzt und außer sich, um es glauben zu können.
    »Wie geht es ihm?«, fragte Alex so leise, dass er nicht wusste, ob sein Vater ihn gehört hatte.
    Dad versteifte sich. »Wie bitte?« Sein Gesicht wurde abweisend.
    »Ich   … ich wollte nur wissen, wie es Alex geht.«
    Dad schaute ihn durchdringend an und stieß die Antwort wie eine Kampfansage hervor: »Es geht ihm genau wie gestern. Genau wie letzte Woche. Genau wie letzten Monat und den Monat davor und den   …«
    »Ed.«
    »Was willst du hier?«
    »Ich   …«
    »Philip kommt vom Beirat der neunten Klassen«, sagte seine Mum.
    Dad drehte sich um. Als sie, noch in der Tür zur Küche, erklärte, warum Alex hergekommen war, klang die Geschichte noch windiger als mit Alex’ eigenen Worten. Sein Vater wurde weiß wie ein Laken.
    »Eine
Gedenk…

    »Nein, so hat er sich nicht ausgedrückt   …«
    »Aber das wäre es. Ein Turnier zum Gedenken an Alex,
Herrgottnochmal!
« Er wandte sich wieder Alex zu. »Habt ihr nicht mal den Anstand zu warten, bis er   …«
    »Ed, bitte!«
    »Und was hattest du vorhin oben zu suchen? In Alex’ Zimmer?«
    Alex wich zurück, als wären die Worte seines Vaters lauter kleine Spucketröpfchen.
    »Ich bitte dich, er ist doch nur ein Junge. Ein
Freund.
« Mum kam wieder in den Flur, stellte sich zwischen sie und legte Dad die Hand auf den Arm. »Ich habe Philip schon gesagt, dass es unangebracht ist und   …«
    »
Unangebracht.
Unangebracht ist gar kein Ausdruck!«
    Alex hätte ihn beinahe »Dad« genannt, biss sich aber gerade noch rechtzeitig auf die Zunge. »Hören Sie, Mr Gray, es tut mir leid. Ich hätte nicht einfach so hier reinplatzen

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