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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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Hausschuhen abgebildet, der über den Mond sprang.
Papa ist der Beste.
Ein Geburtstagsgeschenk von Sam. Wann Dad wohl nach Hause kam? Das hing immer davon ab, welche Schicht er arbeitete. So gern Alex ihn sehen wollte, so unwohl wurde ihm bei der Vorstellung, was sein logisch denkender, skeptischer Vater von diesem »Philip« halten würde.
    »Das wollte ich nicht«, sagte Alex. »Ich hätte nicht   …«
    »Du meinst es gut, das weiß ich. Ihr meint es alle gut.« Mum löste sich von der Spüle und machte einen Schritt auf ihn zu. Wollte ihm die Hand auf die Schulter legen, hielt aber inne und strich sich stattdessen eine lose Strähne hinters Ohr. Ihr Haar sah stumpf aus, als müsste es gewaschen werden. »Es ist nicht leicht, oder? Das Richtige zu tun. Das Richtige zu sagen.«
    Alex stellte das Glas auf den Tisch. »Darf ich mal Ihre Toilette benutzen?«
     
    Er ging geradewegs zu seinem Zimmer.
Seinem
Zimmer.
    Auf dem Treppenabsatz blieb er kurz stehen. Er fürchtete sich ein bisschen, stellte sich mit einem schwachenHoffnungsschimmer vor, dass er ins Zimmer trat und sich selbst vor dem PC oder auf dem Bett sitzen sah, wie er ein Buch las oder Musik hörte. Das Namensschild, das er in der Grundschule geschnitzt hatte, das mit dem schiefen X, hing immer noch an der Tür, zusammen mit dem Schild, das er am Computer entworfen hatte:
Zutritt nur für Killers-Fans.
Einmal war Alex voll mit dem Gesicht gegen die Tür geknallt, als er im Dunkeln die Treppe hochgerannt war, um einer Standpauke von Dad zu entfliehen. Worum es damals gegangen war, wusste er nicht mehr. Er hörte Mum unten in der Küche klappern und das künstliche Motorengeräusch aus dem Wohnzimmer. Er zögerte noch, aber viel Zeit blieb ihm nicht mehr, sonst dauerte sein Klogang auffällig lange. Er machte die Tür auf und ging hinein.
    Tatsächlich. Es war ihm schon in den Sinn gekommen, dass er das Zimmer so vorfinden könnte, aber im Grunde hatte er doch nicht damit gerechnet. So etwas gab es im Fernsehen, aber nicht im richtigen Leben: dass die Angehörigen des Verstorbenen dessen Zimmer noch lange nach seinem Tod unberührt ließen. Als könnte der Sohn jederzeit zurückkommen oder als könnten sie ihn nicht loslassen. Indem sie sein Zimmer unverändert ließen, gestatteten sie sich die Illusion, dass er gar nicht tot war. Vielleicht kamen sie manchmal herein, Mum und Dad   – meistens wohl Mum   –, um mit ihrem verlorenen Sohn zu reden, umgeben von allen seinen Sachen.
    Alex, der das Gefühl hatte, nicht Monate, sondern höchstens ein paar Tage weg gewesen zu sein, kam derAnblick seines unveränderten Zimmers nicht so absurd vor, wie es nach einem halben Jahr gewesen wäre. Genau genommen war das Zimmer auch nicht ganz
unverändert
. Jemand (Mum) hatte alle herumliegenden Klamotten, die CDs, Bücher und anderen Sachen aufgeräumt. Das Zimmer sah nicht mehr aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen. Es roch auch nicht mehr nach, wie es sein Vater nannte, »Teenager-Achsel«. Das Bett war gemacht. Die Schubladen zu. Die Schranktüren waren geschlossen, die Tastatur war unter den Computertisch geschoben. (Wie klobig und altmodisch ihm der Monitor verglichen mit Flips Flachbildschirm vorkam.) Nirgendwo lag ein Staubkorn, die Vorhänge waren zurückgezogen und das Fenster, das bei Alex immer geschlossen gewesen war, stand einen Spalt offen. Es war das Jugendzimmer aus dem Musterhaus einer Wohnungsbaugesellschaft.
    War sein Zimmer wirklich so klein? Im Vergleich zu Flips kam es ihm jedenfalls so vor. Aber es war schön, seine eigenen Poster wiederzusehen. Keine Kricket- und Basketballspieler, sondern
The Killers
; eine Weltkarte und eine Karte vom Nachthimmel; Schautafeln mit Holzblasinstrumenten, den Planeten und vom Wasserkreislauf; ein an der Wand befestigtes Magnetschachbrett, dessen Figuren mitten in der Partie erstarrt waren. In den Regalen standen seine Bücher ordentlich nebeneinander, seine CDs in den Ständern. Und als er den Schrank aufmachte, waren da seine Klamotten. Natürlich hätten sie ihm jetzt nicht gepasst. Auf dem Nachttischlag das Buch, das er im Dezember gelesen hatte,
Löcher
von Louis Sachar; ein Lesezeichen ragte daraus hervor. Daneben sah er seine Inhalatoren, den braunen und den blauen, wie Ausrufezeichen, und das Marmeladenglas mit den Fünfpence-Münzen. Hundertsieben bei der letzten Zählung.
    Neben dem Tisch stand der Notenständer, das Klarinettenheft bei Henri Tomasis »Sonatine Attique« aufgeschlagen; daneben die

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