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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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    Alex   … bist du das?
    Natürlich hatte sie nichts dergleichen getan. Er war einfach nur Philip, ein für sie fremder Junge, ein Freund von Alex, in dessen Gesellschaft sie sich an ihren toten Sohn erinnern konnte.
    »Die Schramme sieht aber nicht schön aus«, sagte sie.
    Sie meinte seine Lippe. Mum nannte jede Verletzung
Schramme,
egal ob aufgeschürftes Knie oder gebrochener Arm (damals, als er vom Trampolin gestürzt war). »Da hat mich ein Kricketball erwischt.« Alex betastete den Schorf. »Im Park«, fügte er hinzu, ehe sie einwenden konnte, dass in Crokeham Hill niemand Kricket spielte.
    Sie redeten darüber, dass er Glück gehabt habe, sich keinen Zahn ausgeschlagen zu haben. Dann sagte Mum wieder mit flüchtigem Lächeln: »Worüber wolltest du eigentlich mit mir sprechen?«
    Also trug er ihr die ganze Geschichte vor: den Plan, in der Schule einen Spendenfonds einzurichten, ein Art Stiftung, die ein jährliches Schachturnier in Alex’ Namen zwischen den Schulen finanzieren solle. Der Beirat der neunten Klassen wolle wissen, ob sie damit einverstanden sei, ehe man weitere Schritte unternehme. Im Zug hatte er das einen genialen Vorwand gefunden   – eserklärte, warum er vorbeigekommen war, und bot zugleich einen Anlass, über »Alex« zu reden. Jetzt, wo er seiner Mum gegenübersaß, klang die Geschichte billig und ziemlich windig. Wie ein durchsichtiger Gaunertrick. Alex kam sich vor wie ein Betrüger, der diese Frau   – seine eigene Mutter   – mit schäbigen Tricks dazu bringen wollte, etwas zu kaufen, das sie gar nicht brauchte.
    Dass sie die Idee wirklich anrührend fand, machte es nur noch schlimmer.
    »Das ist   …« Sie stellte sich an die Spüle und schaute in den Garten hinaus. Sie war sprachlos vor Rührung und brauchte einen Augenblick, bis sie sich gefasst hatte, atmete tief durch und blinzelte die Tränen weg. »Ich   … tut mir leid   … ich wusste gar nicht, dass Alex so
beliebt
war.«
    Alex schwieg. Am liebsten hätte er alles zurückgenommen, was er schon gesagt hatte.
    »Offen gestanden, Philip«   – sie drehte sich mit rot geränderten Augen zu ihm um   – »wir haben uns immer Sorgen gemacht, Alex könnte ein Streber sein und deshalb in der Schule keine Freunde finden. Abgesehen von David Bell hat er nämlich nie jemanden mit hergebracht.«
    »Es war eigentlich nur so eine Idee. Ich weiß nicht   …«
    »Aber so wird es den Leuten erst bewusst, oder? Wenn so etwas passiert.«
    Er wartete darauf, dass sie weitersprach.
    »Dann überlegen sich die Leute, das könnte auch ichsein oder mein eigener Sohn.« Alex wollte etwas sagen, aber sie war nicht zu bremsen. »Und halte mich bitte nicht für undankbar, denn das bin ich nicht, wirklich nicht. Es ist eine   … eine sehr nette Geste.« Sie drückte die Hände an die Wangen und ließ sie wieder sinken. »Nur   … es ist   … ich halte es nicht für den richtigen Zeitpunkt.«
    Die Waschmaschine klickte und schaltete eine Stufe weiter. Alex war noch gar nicht aufgefallen, dass sie lief. Er wusste auch nicht, was seine Mutter mit dem »richtigen Zeitpunkt« meinte. Beim Schach hatte man immer, wenn man einen Zug machte, eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie der Gegenspieler reagieren würde, aber Mum konnte er überhaupt nicht einschätzen. Eben noch war sie von dem Vorschlag zu Tränen gerührt, aber jetzt wirkte sie eher unglücklich.
    »Diese Woche ist es ein halbes Jahr her, hast du das gewusst?«
    »Ach richtig. Ich meine, nein, ich wusste nur, dass es dieser Tage sein muss.«
    »Manchmal kommt es einem vor, als wäre es gestern gewesen. Ein andermal   … « Sie drehte sich wieder zum Fenster um, schaute aber nicht hinaus. Sie hielt den Kopf gesenkt und umklammerte den Rand der Edelstahlspüle. In der Küche roch es ein bisschen nach Essen, nach Fleisch, Würstchen vielleicht. Wahrscheinlich Sams Abendessen. Aßen sie immer noch das Gleiche   – und zur gleichen Zeit? Dein Sohn ist gestorben, aber du hast immer noch einen Mann und einen anderen Sohn.Du musst weitermachen. Kochen, essen. Tee aufgießen. Wäsche waschen. Nach einer Weile sagte Mum: »Richte doch bitte dem Beirat aus, dass ich mich sehr darüber gefreut habe, Philip. Wir   … mein Mann freut sich bestimmt auch darüber. Richte ihnen aus, dass wir darüber nachdenken, wenn   … wenn es besser passt.«
    Sie nahm eine Tasse vom Abtropfbrett und hängte sie an den Tassenständer. Auf der Tasse war ein Mann im Morgenmantel und in

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