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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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Augenblick kommen. Alex ließ den Blick möglichst unauffällig über die Gesichter streifen, suchte nach seinem Freund, nach dem Aufblitzen des pinkfarbenen Rucksacks, von dem sich David trotz aller Hänseleien nicht trennen wollte.
(Der Rucksack ist nicht pink, er ist lila. Helllila.)
Alex kam sich ungepflegt vor. Ungekämmt, zerknittert und ein bisschenmüffelnd. Wenigstens hatte es in der Nacht nicht geregnet. Es wäre echt zu viel gewesen, nicht nur steif, kalt, unausgeschlafen und von Mücken zerstochen, sondern auch noch klatschnass aufzuwachen. Die Begeisterung darüber, dass er noch am Leben war, musste nun der rauen Wirklichkeit standhalten. Er war noch am Leben. Und jetzt?
    Zweierlei stand an: Zum einen musste er David abfangen, abseits von seinen Eltern und Lehrern. Wenn es nur den Hauch einer Chance gab, David von seiner Geschichte zu überzeugen, musste er zumindest mit ihm
reden.
Zum anderen musste er das Krankenhaus aufsuchen. St. Dunstan war das nächste große Krankenhaus am Ort. Wie er sich dort hineinschmuggeln sollte, wusste er noch nicht genau, aber er musste noch an diesem Vormittag hin, solange Mum und Dad bei der Arbeit waren und ihm dort nicht über den Weg laufen würden. Er musste es mit eigenen Augen sehen. An seinem Krankenhausbett stehen und   … und was? Keine Ahnung. Ausflippen, wahrscheinlich. Allein die Vorstellung: seinen eigenen Körper zu
sehen,
ihn
anzufassen.
Trotzdem. Alex musste hin.
    Er erkannte David schon auf hundert Meter Entfernung. Dieser Rucksack, dieser latschende Gang. David war allein, was schon mal gut war. Alex stand auf, wartete und versuchte, sich zu beruhigen. Wie immer war David in seiner eigenen Welt, und Alex musste ihn zweimal rufen, ehe sein Freund in seine Richtung schaute, langsamer ging und den fremden Jungen anschaute. Erhatte eine neue Brille mit einem coolen Metallgestell statt des alten schwarzen Kunststoffgestells.
    »Können wir uns mal unterhalten, David?«
    Vielleicht war Alex doch kein Fremder für ihn. Der kräftige Junge mit den kurzen dunklen Haaren, den Bartstoppeln, dem Knick in der Nase, der aufgerissenen Lippe und dem Yorkshire-Akzent: Wenn Dad ihm Philip Garamond am Abend zuvor am Telefon beschrieben hatte, würde David diese Merkmale jetzt mit seinem Gegenüber abgleichen. Anfangs schien er nur überrascht, aber dann musterte er Alex misstrauisch und seine Miene wurde abweisend. Abweisend, aber auch ein wenig ängstlich. Alex hätte bei einer Prügelei mit David keine Chance gehabt   – Flip war da ein anderes Kaliber.
    »Lass mich in Ruhe.«
    »Bitte, David. Ich bin kein Verrückter. Ich will nur mit dir reden.«
    David drehte sich weg, ging weiter, beschleunigte seine Schritte. Andere Schüler wurden auf sie aufmerksam. Alex spürte, dass es ein Fehler wäre, David festzuhalten oder etwas dergleichen, und so trabte er erst hinter ihm her und ging dann im gleichen Tempo neben ihm.
    »Diese Mails, David   …«
    »Woher weißt du, wie ich heiße? Wie ich aussehe?«
    Alex roch das Haaröl, das sich David in seinen Afro kämmte. »Woher habe ich die anderen Sachen gewusst?«, fragte Alex zurück. »Das mit dem Schach.«
    »Ich will aber nicht mit dir reden. Lass mich einfach in Ruhe.«
    »Wie kann das sein, David? Woher kenne ich unsere Schachzüge?«
    Keine Antwort. David ging stumm weiter neben ihm her, den Blick stur geradeaus gerichtet.
    »Jetzt komm schon!«, flehte ihn Alex an. »Nur fünf Minuten. Gib mir wenigstens die Chance, es dir zu erklären.«
    Sie waren schon fast an der Schule. Das klotzige Hauptgebäude mit seiner Siebzigerjahre-Verkleidung, den vielen Fenstern und den Metallstreben erhob sich am Ende des Fußweges wie ein gigantischer Zauberwürfel. Das ganze Gelände war mit einem hohen Zaun gesichert.
    »Fünf Minuten, David. Mehr will ich gar nicht.«
    David blieb stehen, rückte seinen nicht-pink-sondern-lilafarbenen Rucksack zurecht und wandte den Kopf halb in Alex’ Richtung, ohne ihn richtig anzusehen. Er nahm die Brille ab, putzte sie systematisch mit einem Tuch sauber und setzte sie wieder auf. »Ich komme zu spät zur Anwesenheitskontrolle.«
    »Dann eben nachher. In der ersten Pause.«
    Schon beim Aussprechen des Satzes fiel Alex ein, dass er überhaupt nicht auf das Schulgelände durfte, und David durfte nicht raus. Er sah, dass sein Freund über den Vorschlag nachdachte, nicht wusste, ob er sich überhaupt mit ihm treffen wollte, ganz egal wie und wann. Dabei starrte er auf den Boden zwischen ihren

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