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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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alt wie Philip   – sogar am selben Tag geboren   –, der schon so lange im Koma lag. Als Philip die Berichte über Alex in den Zeitungen und im Fernsehen mitgekriegt hat   … er konnte es nicht richtig erklären, aber es hatte ihn sehr beschäftigt. Als wäre der Junge eine Berühmtheit und Philip sein leidenschaftlicher Fan. Er fühlte sich zu Alex hingezogen, identifizierte sich mit ihm, stellte sich vor, wie es wohl sei, wenn man so lange ohne Bewusstsein war. Er wünschte sich sogar, es ihm nachzumachen, einfach eine Weile aus dem Leben auszusteigen. Letztes Jahr hatte er eine ähnliche Begeisterung für den Kricketspieler Kevin Pietersen entwickelt.
    Es hatte nichts mit Böswilligkeit zu tun. Eigentlich ging es weniger um den Gegenstand seiner Besessenheit als um Philip selbst. Diese
übertriebene Leidenschaft
war in Wirklichkeit ein Hilfeschrei. Philip wünschte sich Beachtung. Was natürlich eine verrückte Methode war, das sah Philip jetzt ein. Er hatte eine verdrehte Fantasie ausgelebt   – dabei war er zu weit gegangen und hatte sich selbst Ärger eingehandelt und anderen Menschen Kummer bereitet. Seine Festnahme war als heilsamerSchock zu betrachten, als notwendige Erdung, um ihn wieder zur Vernunft zu bringen. Es tat ihm alles furchtbar leid. Mehr, als er sagen konnte.
    Das war das Bild von Philip Garamond, das auf der Wache nach und nach entstanden war. Die Polizisten, Flips Eltern und die Sozialarbeiterin, die bei der Befragung anwesend war, trugen einiges dazu bei, aber das meiste kam von Alex selbst. Er ermutigte die anderen, in dieser Richtung weiterzudenken, bis sie selbst davon überzeugt waren. Er spielte die Rolle, die von ihm erwartet wurde, lieferte die Antworten, die zu ihrer Theorie passten. Eine Lüge nach der anderen.
    Die Alternative, die keine war, hätte darin bestanden, die Wahrheit zu sagen.
    Eine
erstaunliche Entdeckung machte Alex jedoch bei der ganzen Lügerei. Als es darum ging, weshalb er sich so krankhaft für Alex Gray interessierte, meldete sich Mr G mit seiner Erklärung zu Wort.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn es etwas mit dem Krankenhaus zu tun hätte.«
    Verdutzte Blicke. Flips Mum sah ihren Mann an, als hätte er einen fahren lassen. Dann dämmerte ihr offenbar, worauf er anspielte. »Ach so!«, sagte sie, wandte sich den Polizisten zu und erklärte: »Wir haben vor ein paar Jahren hier in London gewohnt, als Michael einen Lehrauftrag an der Goldsmiths-Uni hatte.« Sie nannte ein Viertel, das nur wenige Kilometer von Crokeham Hill entfernt war. »Unser Philip«, Mrs Garamond legte Alex die Hand auf den Arm, »unser Philip ist im St. Dunstanzur Welt gekommen   – in dem Krankenhaus, wo jetzt dieser arme Junge liegt.«
    Ich auch!,
dachte Alex, konnte sich aber gerade noch beherrschen, es laut herauszuschreien.
Ich auch!
     
    In Yorkshire wurde das Verhör fortgesetzt. Eine »Familiensitzung«. Sie dauerte schon fast eine Stunde, aber Flips Mum war wie ein Hund, der endlos an einem Knochen herumnagte. »Was mir einfach nicht aus dem Kopf geht«, sagte sie, »ist die Tatsache, dass du das alles durchgemacht hast und nicht ein Mal   – kein einziges Mal   – daran gedacht hast, zu uns zu kommen und mit uns darüber zu reden.«
    »Welcher Junge seines Alters redet schon mit seinen Eltern?«
    »Über
so was
schon, Michael. Über so was schon.«
    Mr Garamond schüttelte den Kopf. »›Hört mal, Mum, Dad, ich bin von einem Jungen besessen, der zweihundert Meilen von hier im Koma liegt.‹ Ich kann gut verstehen, warum er uns das nicht erzählen wollte.«
    »Wie jetzt, Dad?«, sagte Teri. »Liegt es an dem zweihundert Meilen entfernten Jungen   … oder an dem Koma
?
«
    Die Mutter sah sie streng an. »Teri, du bist wirklich keine große Hilfe.«
    »Es ist kein Koma, sondern ein apallisches Syndrom«, sagte Alex. »Hat die Sozialarbeiterin gesagt. Ein sogenanntes Wachkoma.«
    »Woah, du Psycho! Du musst’s ja wissen, du hast jaselber vierzehneinhalb Jahre in diesem Zustand verbracht.«
    »Ich verbiete dir, deinen Bruder
Psycho
zu nennen!«
    Flips Schwester zuckte die Achseln. »Hey, ich bin total für häusliche Pflege, echt, aber haben wir einen Plan B, falls er
richtige
Anfälle kriegt?«
    »Jetzt reicht’s aber. Raus mit dir!«
    »Alanna, bitte. Es ist doch eine Familiensitzung. Teri muss dabei sein«, gab der Vater zu bedenken.
    »Ich muss? Scheiß drauf.«
    »Deine Ausdrucksweise, Teri!« Mrs Garamond ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken. »Meine

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