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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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Freund, kam einmal die Woche vorbei und erzählte ihm alle Neuigkeiten aus der Schule.
    Nahm Alex Gray irgendetwas davon wahr? Das schien niemand zu wissen.
    Er hatte keine Erinnerung daran, in den langen Monaten vor dem Wechsel, als er noch in seinem eigenen Körper gelebt hatte, irgendwas davon mitgekriegt zu haben. Alex musste wieder daran denken, was seine Mum bei Alex’ Besuch zu Hause, in seinem Zimmer, gesagt hatte   – wie sie und Dad, als der Tag des Unfalls ein halbes Jahr her war, bei ihrem Sohn gesessen und darüber gesprochen hatten, ob sie aufgeben sollten. Sie hatte wohl gemeint, ob sie den Ärzten erlauben sollten,ihn sterben zu lassen. Hatte der bewusstlose Alex etwas von dieser Unterhaltung mitbekommen? Hatte seine Seele, oder was auch immer,
deswegen
seinen Körper verlassen? Oder hatte die Seele »Alex Gray« aus eigenem Antrieb aufgegeben, nachdem er so lange ohne ein Anzeichen von Besserung im Wachkoma gelegen hatte   – beziehungsweise bei den ersten Anzeichen des Anfangs vom Ende? Eine Seele, die das sinkende Schiff verließ und ihr Glück auf dem weiten Meer suchte, ehe das Schiff unterging? Vielleicht war Alex’ Seele eher zufällig im Körper von Philip gestrandet, der zufällig am selben Tag und am selben Ort zur Welt gekommen war.
     
    Die von nun an positiv denkenden Garamonds unternahmen noch am gleichen Abend ihren ersten Familienausflug. Sie gingen bowlen und anschließend zum Essen bei
Nando’s
(beides offensichtlich Philips Lieblingsbeschäftigungen). Falls sie sich wunderten, wie miserabel er bowlte, ließen sie sich nichts anmerken. Nicht mal Teri sagte etwas. Auch nicht, als er sein Essen kaum anrührte.
    Und auch nicht in der Nacht, als er gegen ein Uhr Flips Zimmer verwüstete   …
    Er riss Poster von der Wand, zerfetzte seine Bücher, warf sein Skateboard, den Kricketschläger und die anderen Sportsachen aus dem Fenster, außerdem sämtliche Kleidungsstücke aus dem Schrank; dann riss er alle CDs aus den Hüllen und schleuderte sie eine nach der anderen wie Frisbees in den Garten.
    Die Familie wurde von dem Lärm geweckt und versammelte sich auf der Schwelle zu seinem Zimmer. Immer noch sagte keiner von ihnen etwas, oder falls doch, bekam Alex es nicht mit. Er bekam nur eines mit: Flips Mutter scheuchte die anderen irgendwann weg und nahm ihn in den Arm. Sie küsste ihn, raunte ihm besänftigende Worte ins Ohr, schloss ihn in ihre knochige, nach Weinatem riechende Umarmung, bis er sich nicht mehr wehrte und hemmungslos an ihrer Schulter weinte.

12
     
    Nach dieser Verwüstungsaktion kam es nicht infrage, dass er am Montag wieder zur Schule ging. Eigentlich wollten ihn die Eltern gleich wieder hinschicken, damit er so schnell wie möglich in seinen Alltag zurückfand.
Eine gesunde Dosis Normalität,
wie sich Mrs G ausdrückte. Sie wollte nicht, dass er tagelang zu Hause herumlungerte, gelangweilt, grübelnd (über Alex Gray, meinte sie damit) oder voller Selbstmitleid. Aber der Zwischenfall vom Samstagabend hatte sie erschüttert   – hatte die ganze Familie mitgenommen, Alex eingeschlossen. Er war einfach durchgedreht. Vielleicht brauchte er doch eine Therapie? Aber er konnte den Gedanken, wieder in diesem Zimmer, in Flips Zimmer, zu schlafen, einfach nicht ertragen   – nachdem er so hoffnungsvoll und eigentlich auf Nimmerwiedersehen nach London aufgebrochen war. Jetzt stand er wieder ganz am Anfang, fühlte sich einsam, verlassen und hilflos. Was sollte er jetzt machen? Noch mal nach Crokeham Hill fahren, kam nicht infrage, wenn er nicht im Jugendknast landen wollte, und einfach abzuhauen, irgendwo anders von vorn anzufangen   – das war, ehrlich gesagt, auch nicht besonders aussichtsreich. Wie lange konnte sich ein Jugendlicher allein durchschlagen, bis ihm dasGeld ausging, bis er aufgegriffen wurde oder ihm noch Schlimmeres zustieß?
    Ein Therapeut hätte sicher seine helle Freude daran gehabt, die Gründe für Alex’ Ausbruch zu analysieren, Alex selbst wusste nur, dass es herrlich gewesen war, seinen aufgestauten Gefühlen endlich freien Lauf zu lassen. Und wie beschissen, wie absolut
oberbeschissen
man sich hinterher fühlte, wenn man begriff, dass sich dadurch überhaupt nichts geändert hatte.
    Mal abgesehen davon, dass er eine Woche lang nicht in die Schule musste.
    Alex verbrachte die Tage im Haus der Garamonds, wobei Flips Mutter und Vater sich abwechselnd freinahmen. Damit er nicht so allein war, wie sie meinten. Wohl eher, damit sie ihn im Auge

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