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CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)

Titel: CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martyn Bedford
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gehörten.
    Als der Lehrer mit ihm in der Krankenstation ankam, fühlte sich Alex schon nicht mehr ganz so weggetreten. Die Übelkeit war aber noch da. Hatte er sich übergeben? Nein, versicherte ihm Mr McQueen; er sei nur in Ohnmacht gefallen.
    »Du bist umgekippt wie ein gefällter Baum.«
    Nichts gebrochen, verkündete die Schulschwester. Keine Beule am Kopf. Als sie ihn mit spitzen Fingern abgetastet hatte, half sie ihm auf der Liege auf, schob ihm ein Kissen in den Rücken und ließ ihn ein paar Schlucke Wasser trinken. Alex bemerkte, dass sie behaarte Unterarme hatte wie ein Mann.
    »Wirst du öfter ohnmächtig, Philip?«, wollte sie wissen. Als er verneinte, fragte sie, wann er zuletzt etwas gegessen hätte.
    »Zum Frühstück.« Das war nicht gelogen, allerdings hatte er das meiste stehen lassen.
    »Wie lange war er weg?«, erkundigte sie sich bei Mr McQueen.
    »Ungefähr eine Minute. Länger nicht.«
    Der Religionslehrer hielt Alex’ Rucksack an der Schlaufe; am Ende seines langen Armes sah der Rucksack wie ein Spielzeug aus, als gehörte er einem Vorschulkind. Die Krankenschwester schaute Alex in die Augen und leuchtete ihm mit einer bleistiftdünnen Taschenlampe in die Pupillen. Ihre blaue Uniform raschelte wie Papier, wenn sie sich bewegte. Ob er Diabetiker sei? Nein. Dann die unvermeidliche Frage nach Drogen. Alex schüttelte den Kopf.
    »Lösungsmittel? Alkohol?«
    »Ja, bitte   – wenn Sie was übrig haben.«
    Die Schwester machte ein strenges Gesicht. »Dein Humor funktioniert jedenfalls noch.«
    Sie wollte ihn nach Hause schicken, aber Mrs Garamondhatte heute frei   – es war einer ihrer »Gartentage«   – und Alex hatte keine Lust auf das nächste Verhör oder eine Wiederaufnahme des Verhörs vom vergangenen Abend (das am Frühstückstisch fortgeführt worden war). Er bestand darauf, dass es ihm wieder gut gehe.
    Die plötzlich auftretenden, bohrenden Kopfschmerzen, die ihn umgeworfen hatten, erwähnte er nicht; auch nicht das Kreischen oder die grellen Lichter, die hinter seinen Augen blitzten.
    Alex konnte jetzt wieder klar sehen und der Schmerz in seinem Kopf war einem dumpfen Pochen gewichen. Aber er war immer noch zittrig. Und verängstigt. Selten hatte er Philip so unmittelbar gespürt:
Er
war derjenige, der ohnmächtig geworden war, aber jeder Teil von Flips Körper, innen wie außen, zitterte noch von den Nachwirkungen. Was seinen Kopf anging, war der Schmerz spürbar genug. Die »denkenden« und die »nicht denkenden« Bereiche waren gerade nicht zu trennen. Es gab Gehirngewebe und das, was sich darin abspielte, und in diesem Augenblick hätte Alex nicht sagen können, wo das eine aufhörte und das andere anfing.
    Davon erzählte er der Schwester natürlich nichts. Er sei müde, wiederholte er. Im Flur vor dem Lehrerzimmer sei es sehr stickig gewesen. Er sei umgekippt. Jetzt gehe es ihm wieder gut,
ehrlich.
Die Schwester schien nicht sehr überzeugt, aber letztendlich war sie damit einverstanden, dass er wieder am Unterricht teilnahm.
    Während Mr McQueen ihn durch die Gänge führte, versuchte Alex aus dem, was geschehen war, schlau zuwerden; aus dem Albtraum oder dem Ohnmachtsanfall, oder was es gewesen sein mochte, das ihn vor dem Religionslehrer hatte zusammenbrechen lassen. Wie ein jäher Crash. So wie er sich immer einen Gehirnschlag vorgestellt hatte. Dem war so etwas wie eine Halluzination gefolgt. Alex hatte sich einmal auf einer Party mit David einen Joint geteilt, das hatte eine ähnliche Wirkung gehabt: Alles um ihn herum hatte sich wie in Zeitlupe abgespielt   – die Unterhaltungen, das zischende Öffnen einer Bierdose, die Musik, die tanzenden, lachenden, trinkenden Leute, David, der die Hände wie ein Geweih an den Kopf hielt   … das alles passierte tatsächlich, sah aber total unwirklich aus.
    Obwohl er weggetreten gewesen war, hatte die Vision, die er auf dem Boden vor dem Lehrerzimmer gehabt hatte, ebenso wirklich ausgesehen.
    Ein grüner Vorhang, der sich sanft im Wind bewegte. Ein Plastikschlauch, der an einem Beutel mit Flüssigkeit befestigt war. Das Gesicht seiner Mutter, die auf ihn herunterschaute. Sie sagte etwas. Ihre Lippen bewegten sich nicht im Einklang mit den Worten, wie bei einem schlecht synchronisierten Film. Auch er sagte etwas   … schrie ihr wieder und wieder etwas zu, ohne dass sie erkennen ließ, dass sie ihn hörte.
    »Philip?«
    Alex drehte sich um. Mr McQueen war vor dem Kunstraum stehen geblieben, aber Alex war, ganz in seine eigene

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