CRASH - Ins falsche Leben: Roman (German Edition)
Bus herum. Am Nachgeben der Stoßdämpfer spürte Alex, wie Rob hinten einstieg. Kurz darauf nahm Rob mit einer orangefarbenen Mappe in der Hand wieder auf dem Fahrersitz Platz. Er holte ein Bündel Zeitungsausschnitte aus der Mappe.
»Hier.«
Da stand in fetten Buchstaben das Wort:
Stalker
. In sämtlichen Überschriften. Und da war auch ein Foto von Rob. Noch mehr Fotos: von Lisa. Von Bill und Jane.
Alex las die Artikel.
»Dadurch, dass ich mich hier aufhalte, verstoße ich gegen das Kontaktverbot«, sagte Rob, als Alex fertig war. »Wenn die beiden mich erkennen«, er zeigte auf das Haus, das sie beobachtet hatten, »und die Polizei rufen, sperren sie mich dieses Mal endgültig ein.«
Alex gab Rob die Ausschnitte zurück, der sie wieder in die Mappe steckte. »Warum hast du mich hierhergebracht,Rob?« Er wies mit dem Kinn in Richtung der Mappe. »Warum hast du mir das gezeigt?«
»Kapierst du das nicht?«
»Ich bin nicht tot, Rob. ›Alex‹ lebt noch. Meine Eltern machen nicht einfach ohne mich weiter. Mich gibt es noch
.
« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Ich bin nicht wie du.«
Tränen glänzten in Robs Augen. »Ich versaue mir mein ganzes Leben, Alex. Ich bin gestorben und habe das Geschenk – das kostbare Geschenk – eines zweiten Lebens erhalten, und ich schmeiße es einfach weg.« Rob weinte jetzt richtig, dicke Tränen liefen ihm über die Wangen. »Ich hab’s versucht, ehrlich, ich habe versucht, als Rob zu leben, unten in Neuseeland. Dreieinhalb Jahre lang.« Er schüttelte den Kopf. »Und jetzt das hier! Ich kann … ich kann einfach nicht anders. Meine Eltern. Lisa. Meine Schwestern. Meine alten Freunde. Ich komme mir vor wie eine Motte, die immer wieder in die Kerze fliegt, bis sie bei lebendigem Leib verbrennt.«
Als Alex schon dachte, das wäre alles gewesen, sprach Rob plötzlich weiter, rieb sich mit der Hand übers Gesicht, als wollte er alle Tränenspuren tilgen. »Selbst wenn es dir gelingt, zurückzukehren, Alex, wo würdest du landen? Hä? Im Koma. Du würdest vor dich hin vegetieren. In dem Zustand bleibst du vielleicht noch ein paar Monate, dann geben sie dich auf und lassen dich sterben.«
»Das weißt du nicht …«
»Es ist deine Entscheidung, Alex. Niemand hält dichdavon ab. Du kannst versuchen, zurückzugehen, du kannst deine ganze Kraft aufwenden, wieder ›Alex‹ zu sein. Du kannst dich in diese fixe Idee verrennen. Denn das wird es sein: eine fixe Idee. Du kannst an nichts anderes mehr denken, jede Minute, jeden Tag, monatelang, jahrelang, bis es dich zerfrisst. Und der neue Körper, das neue Leben, das dir geschenkt wurde, ist irgendwann nur noch ein Haufen Müll.« Rob schaute Alex eindringlich an. »Deshalb habe ich dich heute hierhergebracht. Das war’s, was ich dir zeigen wollte – mich
.
Was aus mir geworden ist. Sieh mich an, Alex: Du kannst dir jederzeit das Gleiche antun.«
19
Am nächsten Tag saß Alex in der Mittagspause in der Schulkantine am Tisch neben Jack und zwei anderen Baseballkumpeln von Flip: Luke und Olly. Sie – das heißt, die drei anderen – diskutierten darüber, wie man Fürze am besten anzündete. Stellung, Entflammungsmethode, Zielrichtung. Und ob es schwul sei, seine Fürze von jemand anderem anzünden zu lassen. Derlei hochkarätige Themen.
»He, Flip«, sagte Jack. Das Essen kreiste in seinem Mund wie Zement in einem Mischer. »Wie war das doch gleich damals, als du einen in Ollys Zimmer abgefackelt hast?«
Sie kippten vor Lachen fast von den Stühlen. Alex lachte nicht mit.
Schade, dass ich nicht dabei war,
hätte er am liebsten gesagt. Olly stieß ihn an. »Die Vorhänge, oh Mann! Meine Mutter ist total ausgerastet.«
Und so weiter. Alex versuchte sich auf seine Pizza zu konzentrieren. Je schneller er sie aufgegessen hatte, desto eher konnte er sich unter irgendeinem Vorwand wieder verdrücken. Er beobachte Jack und konnte nicht mehr verstehen, wie sie es noch vor einer Woche, bei dem Ausflug nach Scarborough, geschafft hatten, sich so prächtig miteinander zu amüsieren.
Sein Handy summte. Eine SMS von Rob, der sich für den Tag zuvor entschuldigte. Alex wollte die Nachricht eigentlich unbeantwortet lassen, überlegte es sich dann aber. Nach kurzem Zögern schrieb er:
Brauchst dich nicht zu entschuldigen. Alles klar bei dir? Mir geht’s gut.
Er klickte auf
Senden
und machte das Handy aus.
»Wer war das?«, fragte Jack.
»Rob.«
Jacks Gesicht verzog sich zu einem breiten Grinsen. Er
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