Crash: Thriller (German Edition)
Es war ein düsteres gräuliches Blau, die Farbe der Dämmerung. Er lag auf dem Rücken, und Männer standen im Kreis um ihn und schauten auf ihn herab. Sie trugen schlammverkrustete Stiefel und braune Uniformen, aber seine Sicht war verschwommen, und er konnte ihre Gesichter nicht erkennen. Und obwohl er aus Verletzungen an Kopf, Hals und Armen blutete, kam niemand zu ihm, um seine Wunden zu versorgen oder ihm auch nur auf die Beine zu helfen. Also waren diese Männer vermutlich nicht seine Freunde. Mist, dachte er, wer zum Teufel sind diese Typen?
Dann bemerkte er, dass einer von ihnen kein Mann war. Es war eine stämmige Frau mit zerzausten blonden Haaren, die auf einem Bein stand. Sie wurde von den beiden Männern links und rechts von ihr an den Armen gehalten. Ihr verletztes Bein war zur Seite geknickt, und ihre Hose war am Knie zerrissen und darunter feucht. David schaute ihr mit zusammengekniffenen Augen ins Gesicht und sah, wie sie den Mund öffnete, aber er konnte nicht hören, was sie sagte – irgendwas war mit seinen Ohren nicht in Ordnung. Dann machte sie den Mund wieder auf, und er hörte doch etwas, sehr leise. Es war Agent Lucille Parker, die seinen Namen sagte.
Die Männer warfen sie neben David auf den Boden, und in diesem Augenblick fiel ihm alles wieder ein: die Schlauchboote, die Achal-Tekkiner, die Lagerhalle, der Plastiksprengstoff. Lucille ergriff seinen Arm. Ihre Pistole und ihr Schulterholster waren verschwunden, bemerkte er, und ihm ging es genauso. Sie hatte eine klaffende Wunde, die schräg über ihr Kinn verlief, und eine andere von ihrem Wangenknochen bis zu ihrem Mundwinkel. Sie weinte.
»Lucille!«, sagte er, und seine Stimme klang fremd und weit entfernt in seinen Ohren. »Was ist passiert? Wo ist Monique?«
Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Wir waren kurz vor der Tür. Die Explosion hat uns weggedrückt.«
»Aber wo ist …?«
Dann schaute David an ihr vorbei und sah die Leichen auf dem Boden. Sie lagen auf dem Rücken in einer langen Reihe, offensichtlich von den Soldaten in den braunen Uniformen unter den Trümmern hervorgezogen. Mit klopfendem Herz setzte David sich auf und betrachtete sie. Er zählte insgesamt zwölf, ausnahmslos bärtige Männer in schwarzen Hemden und Hosen. Weder Monique noch Olam waren unter ihnen. Zuerst spürte David Erleichterung, aber während er die Leichen der kippot srugot betrachtete, wurde er von Entsetzen überwältigt. Vor knapp vierundzwanzig Stunden hatte er diesen Männern beim Beten zugehört.
David stützte sich auf einem Ellbogen ab und zeigte mit der anderen Hand auf die Soldaten. »Wer seid ihr?«, schrie er. »WER ZUM TEUFEL SEID IHR?«
Die Soldaten sagten nichts. David wusste nicht mal, ob sie seine Sprache verstanden. Aber während er darauf wartete, dass sie antworteten, öffnete sich der Kreis, und ein hochgewachsener, drahtiger Mann trat in die Lücke. Er unterschied sich von den anderen. Seine Uniform war nicht braun, sondern dunkelgrün, und er trug eine karierte Kufiya, die seine Schultern und seinen Nacken bedeckte. Außerdem kam ihm sein Gesicht merkwürdig bekannt vor. Es war dunkelhäutig, voller Bartstoppeln und geradezu schmerzhaft hager. Nach ein paar Sekunden erinnerte sich David. Er zeigte auf den Mann und wandte sich an Lucille. »Das ist der Pilger! Der Mann mit dem Kreuz, der uns zu der Jeschiwa in Jerusalem gefolgt ist!«
Der Mann nickte. »Ich heiße Nicodemus. Und es stimmt, ich bin euch zur Beit Schalom gefolgt. Das war noch ein guter Tag, um Juden zu töten.« Er lächelte. »Wie viele haben wir dort umgebracht? Dreizehn? Vierzehn? Komisch, ungefähr die gleiche Menge wie heute.«
Lucille funkelte ihn an. »Vergessen Sie nicht, dass die Juden auch ein paar von Ihren Männern getötet haben.«
Seine Oberlippe zuckte, aber er lächelte weiter. »Nein, das habe ich nicht vergessen. Deshalb habe ich dieses Unternehmen organisiert. Als ich entdeckte, dass ihr nach Turkmenistan gehen wolltet, bin ich hierhergeeilt, um mich mit meinen Kameraden von den Wahren Gläubigen zusammenzutun. Sie hatten den Röntgenlaser schon aus diesem Depot entfernt, aber es gab noch einen, der nicht mehr zu reparieren war, und den haben wir mit C4 gefüllt. Dann haben wir uns in der Schlucht versteckt und darauf gewartet, dass ihr kommt.« Er zeigte auf die Reihe von Leichen. »Hat ziemlich gut geklappt, findet ihr nicht auch? Wir haben euch fast alle erwischt. Olam ben Z’man und Monique Reynolds sind entkommen,
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