Crash: Thriller (German Edition)
aber weit werden sie es nicht schaffen. Sie werden versuchen, sich mit den sechs Israelis neu zu formieren, die euch vorausgeritten sind, und sich dann wieder auf den Weg zu den Schlauchbooten machen. Aber wir haben eine Schwadron, die dort auf sie wartet.«
Lucille packte Davids Arm fester. Aber er merkte, der Griff war nicht von Furcht, sondern von Hoffnung beseelt. Monique und Olam waren noch am Leben. Und die Hoffnung, die auch in ihm aufstieg, erinnerte David daran, warum er hier war, warum er so viele Tausend Meilen zurückgelegt hatte, um an diesem gottverlassenen Ort zu landen. »Wo ist mein Sohn?«, wollte er von Nicodemus wissen und sah ihm in die Augen. »Wo ist Michael Gupta?«
»Oh, der ist auch tot. Wir haben ihn getötet, nachdem er Bruder Cyrus die Information gegeben hat, die wir brauchten. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es auf äußerst humane Weise erledigt wurde. Bruder Cyrus ist der Erlöser, ein heiliger und mitfühlender Mann. Sehr viel mitfühlender als ich.«
David schwankte einen Moment, aber er starrte Nicodemus unverwandt an. Er wich seinem Blick aus, und seine Oberlippe zuckte wieder. Und David spürte von Neuem Hoffnung in sich aufkeimen, weil er wusste, dass der Mann log. »Nein, Michael ist nicht tot«, sagte er nachdrücklich. »Vielleicht wolltet ihr ihn töten. Vielleicht hattet ihr es vor. Aber ihr habt es nicht geschafft.«
Nicodemus hörte auf zu lächeln. Er ließ seine Maske fallen und funkelte David mit geblähten Nasenflügeln an. Dann drehte er sich zu seinen Männern um und rief: »Zieht sie hoch!«
Zwei Soldaten packten David und hoben ihn auf die Beine. Zwei weitere machten das Gleiche mit Lucille. Nicodemus griff in seinen Gürtel und zog ein langes Messer aus einer Lederscheide. Er trat vor und hielt David das Messer ein paar Zoll vor die Augen. Die Klinge leuchtete im stärker werdenden Licht der Morgendämmerung. »Sie haben meinen Freund Bashir getötet, und dafür sollte ich Ihnen die Kehle durchschneiden. Aber Bruder Cyrus will mit Ihnen sprechen, und deshalb werde ich damit noch etwas warten müssen.«
David war schwindlig, aber er biss die Zähne zusammen. »Das tut mir aber leid. Mir bricht gleich das Herz.«
»Ja, das ist sehr lustig. Ich muss Bruder Cyrus gehorchen, und deshalb kann ich Sie nicht töten.« Er umklammerte den Griff des Messers und zog die Hand zurück. »Aber die hier kann ich töten.«
In einer schnellen Bewegung trat er auf Lucille zu und schnitt ihr die Kehle durch. Sie schaute David einen Moment lang an, ihre feuchten Augen schienen ihn anzuflehen, ihr Mund öffnete und schloss sich tonlos. Er sah den Schlitz durch ihren Hals, eine knallrote Linie. Dann begann das Blut zu strömen, und ihr Kopf kippte nach vorn.
DREISSIG
M ichael tat genau das, was Tamara ihm gesagt hatte. Er fuhr auf dem Ural-Motorrad immer weiter nach Süden und hielt nach einem anderen Dorf Ausschau, wo er vielleicht telefonieren konnte. Er fuhr bis zum Spätnachmittag durch die Wüste und ließ dabei ständig seine Augen über den Horizont wandern. Er sah natürlich Sanddünen und ein paar kümmerliche Büsche mit blattlosen weißen Zweigen, und irgendwann entdeckte er ein Paar Kamele, die über ein Stück harten, flachen Boden gingen. Aber nirgendwo stieß er auf ein Dorf, er sah keine Wege und keine Telefonmasten. Und dann kam das Motorrad am Nachmittag stotternd zum Stehen. Das Benzin war alle.
Während der nächsten drei Stunden versuchte er, die Ural nach Süden zu schieben, aber er kam nicht sehr weit. Als die Sonne langsam unterging, rollte er das Motorrad in eine sandige Senke zwischen zwei Dünen, wo es ein wenig Schutz vor dem Wind gab. Er war sehr durstig, aber er hatte kein Wasser. Als er das Staufach an der Rückseite des Beiwagens öffnete, fand er nur eine Dose Pfirsiche und eine zusammengerollte Zeitschrift mit Bildern nackter Frauen auf der Titelseite. Er schaffte es, ein Loch in die Dose zu machen, indem er sie gegen das Schutzblech der Ural stieß, und er saugte den Pfirsichsirup aus dem Loch und schluckte jeden einzelnen Tropfen. Aber danach war er durstiger als vorher. Er versuchte, seinen Durst zu ignorieren, indem er sich die Bilder mit den nackten Frauen anschaute, bis es dafür zu dunkel geworden war.
Nach Sonnenuntergang wurde der Wind stärker, und Sand geriet Michael in die Augen. Außerdem wurde es kälter. Er kletterte in den Beiwagen der Ural und rollte sich in dem gepolsterten Raum zusammen. Obwohl ihm immer noch kalt
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