Crash: Thriller (German Edition)
hielt das nicht für lustig. Mit düsterer Miene betrachtete sie weiter die Menge. »Dieser Ort ist verrückt. Schau dir all diese Bescheuerten an.«
»Das ist nicht ihre Schuld. Die meisten von ihnen leiden wahrscheinlich am Jerusalem-Syndrom.«
»Ist das noch ein Witz?«
»Nein, das ist eine echte psychische Störung. Israelische Psychiater haben wissenschaftliche Arbeiten darüber geschrieben. Jedes Jahr gelangen Touristen, die Jerusalem besuchen, zu der Überzeugung, dass sie der Messias sind. Die Wahnvorstellung verschwindet normalerweise wieder, wenn sie die Stadt verlassen.«
Monique runzelte die Stirn. »Das ist großartig. Und wir suchen nach einem Typ, der sich selber ›Universum, Sohn der Zeit‹ nennt. Vielleicht ist er auch nicht mehr bei Trost.«
»Ich glaube nicht, dass Jacob Steele mit jemand, der nicht mehr bei Trost ist, zusammengearbeitet hätte.« David schüttelte den Kopf. »Erinnerst du dich daran, was Bennett gesagt hat? Jacob wollte unbedingt eine entscheidende Entdeckung machen, bevor er starb. Vielleicht ist Olam ben Z’man auf eine brillante Idee gekommen, eine Idee, mit der man den Nobelpreis hätte gewinnen können. Und vielleicht hat Jacob davon gehört und angefangen, mit ihm zusammenzuarbeiten, um sich eine Scheibe vom Ruhm abzuschneiden.«
»Okay, vielleicht ist Olam ein Genie. Aber viele Genies sind auch verrückt.«
»Nein, ich glaube, er ist gerissen, nicht verrückt. Es kann kein Zufall sein, dass seine Glasfaserleitung in den Unterlagen der Telefongesellschaft nicht auftaucht. Ich glaube, er hat Maßnahmen ergriffen, um seine Spuren zu verwischen.«
»Warum? Wovor hatte er Angst?«
»Ich weiß nicht. Aber sieh dir an, was mit Jacob passiert ist. Offenbar gefiel irgendjemandem nicht, was sie getan haben.«
Einer der weinenden Pilger stieß ein besonders lautes Wehklagen aus. Monique schreckte bei dem Geräusch zusammen. »Verdammt noch mal, ich kann nicht nachdenken! Diese Typen mit ihrem blöden Geheul!« Ein Ausdruck immenser Frustration machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Wie zum Teufel soll ich dabei nachdenken?«
David trat einen Schritt näher und legte den Arm um sie. Monique zitterte am ganzen Körper. »Hey, alles halb so wild. Wir kriegen schon raus, was hier gespielt wird, okay? Auf die eine oder andere Art werden wir herausbekommen, was los ist. Und dann werden wir Michael finden und ihn nach Hause mitnehmen.«
Sie schüttelte den Kopf und begann zu weinen. Es kam bei Monique selten vor, dass sie sich so verletzlich zeigte; normalerweise war sie unerschütterlich und von einer unbeirrbaren Logik. Sie hatte, genau wie Michael, eine chaotische Kindheit gehabt, war mit ihrer Mutter, die sich nicht um sie kümmerte, in einem schäbigen Sozialbau aufgewachsen und hatte schon in jungen Jahren eine entschlossene Selbstbeherrschung entwickelt. Sehr wenige Dinge konnten sie dermaßen aus der Fassung bringen wie das hier. Sie schluchzte leise und lehnte ihre Stirn an Davids Schulter. Er hielt sie fest.
Schon bald wurde sie wieder ruhiger. David ließ sie los, und sie wischte sich die Augen ab. Als Aryeh zurückkam, war ihr nichts mehr anzumerken. Er war außer Atem von seinem Kampf gegen die Massen von Christen.
»Die Leitung drei-siebzehn zweigt da vorn ab«, sagte er und zeigte auf ein Haus, das unmittelbar vor ihnen lag. »Dann geht sie eine Treppe hinunter, die zum Hasmonäer-Tunnel führt.«
Der Name kam David bekannt vor. Er hatte irgendwo davon gelesen. »Ist das der Tunnel, der am Tempelberg entlang verläuft? Neben der Westmauer?«
»Ja, die Archäologen haben ihn ausgegraben. Der Tunnel senkt sich ab bis zu den großen Steinblöcken am Fuß der Westmauer, zehn Meter unter der Erde. Er wird hauptsächlich von Touristen aufgesucht, aber die kippot srugot gehen gern in den Tunnel, um zu beten.«
»Kippot srugot?«
»Die frommen Zionisten, die Siedler. Sie heißen so, weil sie gestrickte Kippas tragen, kippot srugot .«
»Moment mal«, sagte David. »Ich dachte, die frommen Juden tragen schwarze Hüte.«
»Nein, das sind die Haredim , die Ultra-Orthodoxen. Die kippot srugot sind auch fromm, aber die meisten sind rechtsgerichtet, sehr sauer auf die Palästinenser. Sie sind regelrecht besessen von der Westmauer, weil es der einzige Teil des Tempels ist, der noch steht. Man kann die Mauer im jüdischen Viertel oberirdisch sehen, aber die kippot srugot gehen zum Beten lieber in den Tunnel, weil das näher an der Stelle liegt, wo …«
»Halt, warten
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