Crash: Thriller (German Edition)
würden. David warf einen Blick zu Monique hinüber, aber sie schaute aus dem Fenster auf die judäischen Berge. Sie hatte kein Wort gesagt, seitdem sie ins Auto gestiegen war. Mit den Gedanken ganz woanders rieb sie zerstreut über ihren verletzten Arm und ließ die linke Hand über den rechten Ärmel ihres Jacketts gleiten, um die Verbände darunter zu befühlen. David kannte seine Frau gut genug, um zu wissen, was los war. Sie hatte eine Idee, und sie war dabei, sie gründlich zu durchdenken.
Nach einer Weile wurde die Autobahn gerade und eben. Sie ließen die judäischen Berge hinter sich und fuhren durch die Küstenebene. Auf beiden Seiten der Straße lagen dunkelgrüne Felder, auf denen sich Kulturpflanzen mit Wildblumen abwechselten. Die hebräische Version eines Songs von Michael Jackson kam im Radio, und Aryeh begann mitzusingen. Dann fuhr der Wagen durch ein Schlagloch, und Monique stöhnte leise.
David schaute sie wieder an. »Alles okay?«
Sie nickte ausdruckslos. Ihre Augen blickten immer noch wild umher, glitten hierher und dorthin, fassten aber nichts auf. Dann machte sie die Augen zu und atmete tief aus. Als sie ein paar Sekunden später die Augen wieder aufschlug, waren sie auf David gerichtet. »Ich weiß, wovon Olam gesprochen hat.«
»Was? Was meinst du …?«
»Erinnerst du dich, was Rav Kavner in der Jeschiwa gesagt hat? Über all den verrückten kabbalistischen Unsinn, den Olam von sich gegeben hat? Und die Idee, von der er so besessen war?«
»Du meinst über die Sephirot ? Und meyda ?«
»Ja, all den Blödsinn. Ich kam nicht darauf, als wir in der Jeschiwa waren, und dann hab ich es völlig vergessen, als diese Killer anfingen, auf uns zu schießen. Aber jetzt weiß ich, was er gemeint hat. Olam hat über digitale Physik geredet.« Sie rückte näher an David heran und beugte sich über die Rückbank der Limousine. »In seinem früheren Leben als Oscar Loebner war er Informatiker, stimmt’s? Aber er musste auch viel von Physik verstehen, weil sein Spezialgebiet war, Simulationen von Atomexplosionen zu entwickeln. Deshalb versteht es sich von selbst, dass er die beiden kombinieren und …«
»Moment mal, nicht so schnell!« David hielt die Hände hoch. Obwohl er Wissenschaftshistoriker war, wusste er nicht so viel über Fortschritte in jüngerer Zeit wie Monique. »Was ist digitale Physik?«
»Mensch, David, du musst wirklich ein bisschen besser dranbleiben. Digitale Physik ist seit den Neunzigerjahren äußerst angesagt, als John Archibald Wheeler seine Arbeiten darüber veröffentlicht hat. Von Wheeler hast du doch gehört, oder?«
David nickte. »Natürlich. Er ist der Typ, der den Begriff ›schwarzes Loch‹ geprägt hat. Er ist erst vor ein paar Jahren gestorben.«
»Er war emeritierter Professor in Princeton, als ich dort unterrichtet habe. Wheeler war ein großer Physiker, ein Visionär. Und in seinen letzten Lebensjahren hat er eine neue Richtung eingeschlagen. Ein paar von den Leuten im physikalischen Seminar dachten, er wäre im Alter ein bisschen verrückt geworden, aber meine Achtung vor ihm ist gestiegen. Er versuchte, eines der größten Geheimnisse der Naturwissenschaft zu lösen – warum das Universum verständlich ist. Warum es geordneten, mathematischen Gesetzen folgt, die wir entdecken und begreifen können, wie etwa die Feldgleichungen Einsteins oder die Gesetze der Quantentheorie.«
Er nickte wieder. Das klang allmählich vertraut. Die mathematische Natur des Universums war ein äußerst wichtiges Thema für Wissenschaftshistoriker und -philosophen. »Was stand in Wheelers Arbeiten?«
»Er hat behauptet, das traditionelle Bild des Universums sei überholt. Die meisten Menschen denken sich Elementarteilchen als winzige Billardkugeln, die auf dem Tisch der Raumzeit herumrollen, aber Wheeler wusste, dass diese Vorstellung lächerlich ist. Ein Elementarteilchen hat keine physische Substanz. Es ist nur eine Ansammlung von Quantenwerten – Energie, Ladung, Spin und so weiter –, daher ergibt es mehr Sinn, es sich als Informationspaket vorzustellen. Und die Raumzeit ist ebenfalls Information, eine riesige Anordnung von Werten, die die Krümmung der Dimensionen bestimmen. Wheeler nannte diese Hypothese ›It from Bit‹. Alle physischen Dinge entstehen aus Information.«
»Warte einen Moment. Von diesem ›It from Bit‹ hab ich schon mal gehört.« David durchforstete sein Gedächtnis. »Es ist die Weiterentwicklung einer älteren Idee, stimmt’s? Die Theorie
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