Crash
blockierten, in dem wir die Filmschauspielerin Elizabeth Taylor gerne eingesetzt hätten. Doch im Grunde genommen galt die ganze Zeit über meine wahre Aufmerksamkeit einzig und allein dem Mietwagen, der auf dem Parkplatz meiner harrte. Alles andere - Warings Verstimmung mir gegenüber, die überladene Perspektive des Büros, der Lärm der Angestellten - bildete einen vagen Halbschatten, unbefriedigende Hintergrundgeräusche, die später herausgeschnitten werden.
Ich wurde mir Renatas Anwesenheit im Wagen kaum bewußt, als sie neben mir Platz nahm.
»Alles in Ordnung mit dir? Wohin fahren wir?«
Ich starrte das Lenkrad zwischen meinen Händen an, dann das gepolsterte Armaturenbrett mit den Skalen und Kontrollämpchen.
»Wohin wohl?«
Das aggressive Styling des massengefertigten Cockpits und die übertriebenen Ausbuchtungen der Instrumente steigerten mein wachsendes Bewußtsein einer neuen Verbindung zwischen meinem Körper und dem Auto viel stärker als meine Gefühle für Renatas breite Hüften und kräftigen Beine die unter ihrem roten Plastikregenmantel verborgen waren. Ich beugte mich nach vorne und spürte die Umrisse des Lenkrads gegen meine Brustnarben drücken, dann drückte ich meine Knie gegen den Schalter des Blinkers und die Handbremse.
Eine halbe Stunde später hatten wir den Fuß der Überführung erreicht. Der Nachmittagsverkehr strömte über die Western Avenue und teilte sich an der Gabelung zur Autobahn. Ich fuhr gegenüber der Seite meines Unfalls bis zum Kleeblatt im Norden, dort wendete ich und fuhr den Weg zurück, den ich in den letzten Minuten vor dem Unfall auch gefahren war. Zufällig war die Straße vor uns frei. Vierhundert Meter weiter vorne mühte sich ein Lastwagen über die Überführung. Ein schwarzes Kabriolett tauchte auf der Schulter der Überführung auf, doch ich überholte es. Nach wenigen Sekunden hatten wir den Unfallort erreicht. Ich bremste und brachte den Wagen auf dem betonierten Seitenstreifen zum Halten.
»Dürfen wir hier parken?«
»Nein.«
»Schon gut - die Polizei wird in deinem Fall eine Ausnahme machen.«
Ich knöpfte Renatas Regenmantel auf und legte eine Hand auf ihren Oberschenkel. Sie ließ es geschehen, daß ich ihren Hals küßte, wobei sie meine Schultern wie eine beschwichtigende Gouvernante hielt.
»Ich war kurz vor dem Unfall bei dir« , sagte ich zu ihr. »Erinnerst du dich? Wir liebten uns.«
»Bringst du mich immer noch mit deinem Unfall in Zusammenhang?
Meine Hand glitt an ihrem Schenkel aufwärts. Ihre Vagina war eine feuchte Blume. Ein Flugzeug flog über uns hinweg, Passagiere nach Stuttgart oder Mailand sahen auf uns herab. Renata knöpfte ihren Mantel wieder zu und nahm eine Ausgabe von Paris Match aus dem Handschuhfach. Sie blätterte die Seiten um und betrachtete Fotografien von Femeopfern auf den Philippinen. Diese Immersion paralleler Themen von Gewalt war ein verlockender Köder. Ihre ernsten Studentenaugen verharrten kaum auf einer Seite, die das ganzseitige Bild eines aufgedunsenen Leichnams zeigte. Diese starrte, wo ich, fünfzig Meter von dem Wagen entfernt, in Koda von Tod und Verstümmelung passierte unter ihren präzisen Fingern, während ich auf die Straßenkreuzung dem ich nun saß, selbst einen Mann getötet hatte. Die Anonymität dieser Straßenkreuzung erinnerte mich an Renatas Körper mit seinem erfreulichen Repertoire von Öffnungen und Spalten, der eines Tages für einen Vorortehemann ebenso seltsam und bedeutend werden würde wie diese Betonplatten und Fahrbahnmarkierungen hier für mich.
Ein weißes Kabriolett raste auf uns zu, der Fahrer betätigte die Lichthupe, als ich aus dem Auto ausstieg. Ich taumelte, da mein rechtes Knie nach der Anstrengung des Fahrens unter mir nachgab. Zu meinen Füßen befand sich ein Teppich aus herabgefallenen Blättern, Zigarettenschachteln und Glassplittern. Diese Fragmente zersplitterten Sicherheitsglases, de von Generationen von Arzthelfern beiseite gewischt worden waren, bildeten einen kleinen Hügel. Ich sah hinab auf dieses staubige Diadem, die Abfälle Tausender Autounfälle In den kommenden fünfzig Jahren, wenn immer mehr Wagen Unfälle hatten, würde diese Verwehung sich zu einem beachtlichen Berg anhäufen, zu einer Küste scharfer Kristalle. Vielleicht erwuchs dann auch eine neue Generation von Strandguträubern, die diese Glasküste nach Zigarettenschachteln, gebrauchten Kondomen oder verlorenen Münzen durchsuchten. Und unter dieser neuen geologischen Schicht, die
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