Crash
deutliches Interesse an Vaughan, den sie dauernd beobachtete, ohne einmal den Blick von seinem narbigen Gesicht abzuwenden, während sie meine Hand hielt, überraschte mich nicht, erzürnte mich aber auch nicht. Mir war bereits klargeworden, daß wir drei das Beste aus diesem Unfall herausholen mußten. Wir mußten seine Möglichkeiten für unser Leben ausschöpfen. Ich dachte an die Narben meines und Vaughans Körpers, Handgriffe für unsere ersten Umarmungen, dann an die Verletzungen der an dem Unfall Beteiligten unter uns, Kontaktpunkte aller sexuellen Möglichkeiten ihrer Zukunft.
Der letzte Krankenwagen fuhr weg, seine Sirene verhallte. Die Zuschauer kehrten zu ihren Wagen zurück oder kletterten wieder zu dem Loch im Zaun empor. Ein erwachsenes Mädchen in einem Baumwollkleid ging an uns vorbei, ihr jugendlicher Freund hatte einen Arm um ihre Taille gelegt, mit der anderen strich er ihr über die Brust und streichelte den Nippel mit den Knöcheln. Sie stiegen in einen gelben Buggy, der mit Wimpeln übersät war, und fuhren mit quie tschen den Reifen davon. Ein untersetzter Mann in der Jacke eines Fernfahrers half seiner Frau den Hang empor, indem er mit einer Hand ihre Gesäßbacke stützte. Diese unterschwellige Sexualität erfüllte die Menge, als wären wir alle Mitglieder einer Sekte, die gerade eine Messe verließen, in deren Verlauf wir aufgefordert worden waren, unsere Sexualität mit Freunden und Fremden zu zelebrieren. Wir fuhren wieder davon in die Nacht, um das Blutopfer, dessen Zeuge wir geworden waren, mit den unwahrscheinlichsten Partnern zu imitieren.
Catherine lehnte sich gegen die Karosserie des Lincoln und preßte die Gabelung ihrer Beine gegen die verchromte Kühlermulde. Sie hatte den Kopf von mir abgewendet.
»Wirst du fahren? Du bist doch in Ordnung, oder?«
Ich stand mit gespreizten Beinen vor ihr, preßte die Hände gegen die Brust und atmete die kühle Luft ein. Ich konnte die Narben wieder spüren, die in Brust und Knie einschnitten. Ich suchte nach diesen Narben, deren Umrisse sich nun in Form eines einzigartigen, wärmenden Schmerzes bemerkbar machten. Mein Körper schien an diesen Stellen zu glühen. Ich fühlte mich wie ein vom Tode erstandener Mann, der den Schmerz der Wunden genießt, die seinen ersten Tod verursacht haben.
Ich kniete mich neben dem Vorderrad des Lincoln nieder. Streifen eines schwarzen, gelatineähnlichen Materials waren über Kotflügel und Reifenlager verschmiert und zeichneten das schmutzige Rund des abgefahrenen Reifens. Ich berührte die gummiartigen Überreste mit dem Finger. Der Kotflügel wies eine beachtliche Delle auf, dieselbe Deformation die ich vor zwei Jahren an meinem Wagen hatte feststellen müssen, als ich einen deutschen Schäferhund überfahren hatte, der blindlings auf die Straße gelaufen war. Ich hatte hundert Meter weiter angehalten und war zu den beiden Schulmädchen zurückgangen, die sich über dem sterbenden Tier in ihre hohlen Hände übergeben hatten.
Ich deutete auf das getrocknete Blut. »Sie scheinen einen Hund angefahren zu haben. Die Polizei könnte den Wagen beschlagnahmen lassen, während sie das Blut analysieren.«
Vaughan kniete an meiner Seite nieder, betrachtete das Blut und nickte. »Sie haben recht, Ballard - ich kenne hier in der Nähe eine Waschanlage, die die ganze Nacht geöffnet hat.«
Er öffnete mir die Tür, seine Augen blickten ohne Feindseligkeit, als hätte ihn der Anblick des Unfalls beruhigt, den wir soeben passiert hatten. Ich nahm hinter dem Steuer Platz und wartete darauf, daß er das Auto umrunden und neben mich sitzen würde, doch er öffnete die hintere Tür und kle tterte zu Catherine auf die Rückbank.
Ich fuhr an, er warf die Kamera auf den Beifahrersitz. Ihre unsichtbaren silbernen Erinnerungen an Schmerz und Entzücken waren in den dunkler Spulen komprimiert, während hinter mir Catherines sensiblere Schleimhäute lautlos ihre Chemikalien absonderten.
Wir fuhren westwärts zum Flughafen. Ich beobachtete Catherine im Rückspiegel. Sie sah in der Mitte der Rückbank, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und betrachtete die voröbereilenden Lichter der Schnellstraße. Als ich sie an der ersten Ampel betrachtete, lächelte sie mir beruhigend zu. Vaughan saß wie ein gelangweilter Gangster neben ihr, sein linkes Knie berührte ihren Oberschenkel. Mit einer Hand rieb er abwesend seine Lenden. Er betrachtete ihren Nacken, von dort glitt sein Blick weiter über das Profil ihrer Wangen und
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