Crashkurs
Griff! Die senken die Zinsen weiter. Dann muss der Häuslebauer weniger Zinsen bezahlen, und alles wird gut!«
Was für ein Unsinn! Das Problem besteht darin, dass der Häuslebauer komplett überschuldet ist. Er hat seine Kreditlinien bis zum Anschlag ausgeschöpft. Und da die einzige Sicherheit, die er hat – seine Immobilie –, gerade mächtig im Preis fällt, sind schon seine bisherigen Darlehen nicht mehr ausreichend besichert. Wer sollte diesem Menschen noch einen weiteren Kredit geben? Die Immobilienvermittler können keine Wundertüten mehr an die aufgeschreckten Investoren verkaufen, fallen also aus. Die Banken selbst bekommen zwar jede Menge billiges Geld von der amerikanischen Notenbank zur Verfügung gestellt, aber die werden den Teufel tun, das Geld an die Verbraucher weiterzuleiten. Oder würden Sie Geld an jemanden verleihen, der eigentlich ohnehin schon pleite ist? Wohl eher nicht. Also helfen die Zinssenkungen in diesem Szenario überhaupt nicht weiter. Dem amerikanischen Verbraucher ist es egal, ob er zu 5 oder zu 2 Prozent kein Darlehen bekommt. Er bekommt einfach keines. Also kann er seine bisherigen Verpflichtungen nicht erfüllen, geschweige denn einen neuen Konsumrausch entwickeln. Und nur davon lebt die US-Wirtschaft und damit ein nicht unerheblicher Teil der Weltwirtschaft.
Aber die Zinssenkung hilft den großen US-Banken. Denn diese erhalten billigstes Geld, geben es aber nur mit extremen Risikoaufschlägen, die sie mit der aktuellen Situation ja auch sehr gut begründen können, an ihre Kunden weiter. Wir hatten in Japan in den achtziger Jahren eine vergleichbare Situation, als der Immobilienmarkt dort einbrach. Die japanische Notenbank senkte die Zinsen bis auf 0 Prozent, und dennoch mussten die Bürger bei ihren Banken bis zu 20 Prozent Zinsen für Darlehen zahlen. Ein Riesengewinn für die Kreditinstitute. Genau das passiert auch in den USA.
Die Bürger und Unternehmen zahlen für Darlehen heute höhere Zinsen als vor den Zinssenkungen. Diese hatten also nur einen einzigen Zweck: den Banken ungeheure Gewinne zuzuschanzen, damit sie auf diese Weise ihre Verluste im Immobilienbereich gegenrechnen können. Es ging nur darum, die Banken zu retten. Die Bürger und die Wirtschaft im Allgemeinen spielten bei den Zinssenkungen überhaupt keine Rolle.
Von der Immobilienkrise zur Bankenkrise zur Krise der Realwirtschaft
Im Jahr 2008 hat sich aus der ursprünglichen Krise auf dem amerikanischen Immobilienmarkt eine handfeste Bankenkrise entwickelt. Eine Bankenkrise, die eine Dimension erreicht hat, die wahrlich furchterregend ist. Noch im Sommer 2007 wurde ich mit ungläubigem bis mitleidigem Lächeln bedacht, wenn ich behauptete, diese Bankenkrise sei die schwerste seit der Weltwirtschaftskrise 1929. Mittlerweile gibt es viele angesehene Köpfe, die sich nicht mehr scheuen, sie so zu bezeichnen. Der Finanzgigant George Soros sah im Januar 2008 »die schlimmste Krise seit sechzig Jahren«. Er war davon überzeugt, dass diese Krise die Weltwirtschaft stärker verändern werde als alle anderen nach dem Zweiten Weltkrieg. Und das will was heißen! Zwar herrschte zwischen 1945 und 1971 relative Ruhe. Es gab immer wieder größere und kleinere wirtschaftliche »Zwischenfälle«, aber keine nennenswerten Finanzkrisen. Danach jedoch wurden die Einschläge von Mal zu Mal heftiger. In den fünfzehn Jahren zwischen 1982 und 1997 gab es in hundert Industrie- und Entwicklungsländern gefährliche Wirtschaftskrisen. Betroffen waren 75 Prozent der Mitgliedsstaaten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Die Rettungspakete des IWF in dieser Zeit kosteten über 250 Milliarden US-Dollar. Im Sommer 2008 ging man bereits von Abschreibungen in der aktuellen Krise von 1000 Milliarden US-Dollar aus. Und ich gehe jede Wette ein, dass man diese Zahl in dem Moment, in dem Sie, lieber Leser, dieses Buch in Händen halten, als sehr wohlwollend belächeln wird.
In den achtziger Jahren gab es die Sparkassenkrise in den USA, in deren Folge tausend Sparkassen pleitegingen und die Weltwirtschaft in eine Rezession geworfen wurde. Ab 1998 kam noch eins drauf. Die Krisen in Asien und Russland folgten. In Thailand wurde die Hälfte aller Banken geschlossen. Das deutsche Kreditsystem bekam beim Zusammenbruch der Internetblase Anfang des neuen Jahrtausends größte Probleme, die die Banken damals aber noch aus eigener Kraft stemmen konnten.
Das waren alles bedeutende, durchaus feuergefährliche Situationen. Wenn aber im
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