Crashkurs
Schwierigkeiten zu bringen, die ja darauf angewiesen waren, auf ihren steigenden Immobilienwert neue Darlehen aufnehmen zu können, um die Zinsen für das alte zu bezahlen. Diese Hausbesitzer konnten also ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen und mussten ihr Haus verkaufen, was wiederum Druck auf die Immobilienpreise ausübte. Das war der Beginn der Katastrophe.
Anfang 2007 dämmerte es plötzlich den ersten internationalen Investoren, dass mit ihren Kreditpaketen aus Amerika etwas nicht stimmte. Immer mehr Kredite in diesen Paketen fingen an zu faulen und zu stinken, und die Investoren begannen auf einmal, in diese Pakete reinzuschauen. Und was sie da fanden, hat ihnen gar nicht gefallen. Als Konsequenz stellten sie sofort den Kauf weiterer Kreditpakete ein.
So brach innerhalb weniger Wochen der gesamte Markt für diese »Wundertüten« komplett zusammen – so komplett, dass es nicht einmal möglich war, auch nur ungefähr zu bestimmen, was diese stinkenden Wundertüten in den Kellern der Banken überhaupt noch wert waren. Also haben die einzelnen Banken den Wert eben mal so ungefähr geschätzt und den Verlust dann als Abschreibungen in ihren Quartalsbilanzen bekanntgegeben. Daraufhin lief das große Staunen um den Globus. 5 Milliarden hier, 12 Milliarden dort, 24 Milliarden ganz da drüben. Zur Erinnerung: Das waren die »optimistischen« Abschreibungen der Banken, die natürlich hofften, dass das alles nur ein böser, kurzer Alptraum ist und der Markt für Wundertüten sich in wenigen Monaten wieder erholen würde. Aber um es mit Wilhelm Busch zu sagen: »Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.«
Denn was, wenn der Wundertütenmarkt nicht wieder auf die Beine kommt? Was, wenn noch mehr Kredite darin zu faulen beginnen? Welche Abschreibungen kommen dann noch auf uns zu? Und überhaupt: Warum sollte sich der Immobilienmarkt in den USA kurzfristig wieder erholen?
Bemühen wir doch wieder unseren Freund, den gesunden Menschenverstand: Stellen Sie sich vor, Sie seien Amerikaner und trügen sich mit dem Gedanken, ein Haus zu kaufen. Sie lesen täglich von Immobilienkrise und fallenden Immobilienpreisen. Da sagen Sie sich doch: »Hey, wenn die Preise am Fallen sind, warte ich noch ein halbes Jahr, dann bekomme ich das Haus viel billiger!« Wenn Sie aber in der unglücklichen Lage sind, ein Haus verkaufen zu wollen (oder zu müssen), werden Sie denken: »Mist, mir steht eh das Wasser schon bis zum Hals, ich gehe lieber noch mal 5 Prozent mit dem Preis runter, bevor das alles noch schlimmer wird.«
Wer selbst einmal eine Immobilie erworben hat, weiß, dass von der Überlegung »Wir sollten uns mal nach einem Haus umsehen« über die Finanzierung bis zum ersten Glas Rotwein auf der eigenen Terrasse viele Monate vergehen. Der Immobilienmarkt bewegt sich wesentlich träger und nachhaltiger als beispielsweise der Aktienmarkt. Während der Aktienmarkt schnell wie ein Sportboot die Richtung ändert und sich neuen Situationen in wenigen Tagen oder gar Stunden anpassen kann, ist der Immobilienmarkt wie ein träger Öltanker, der, einmal in Fahrt, sehr lange die Richtung beibehält und nur gaaanz langsam den Kurs ändern kann.
Wenn also die Immobilienpreise erst einmal angefangen haben zu fallen, dann fallen sie recht lange und zu Anfang immer schneller, da sich der Trend durch den Herdentrieb der Leute immer mehr beschleunigt. Je tiefer die Preise fallen, umso mehr Hausbesitzer werden durch die Banken zum Verkauf gezwungen, da sie keine Anschlussfinanzierung mehr erhalten, wenn ihr Darlehen ausläuft. Und dann heißt es: »Wie, Herr Arbuckle? Sie wollen 220 000 Dollar Darlehen? Ihr Haus ist doch nur noch 170 0000 Dollar wert! Tja, da werden Sie wohl verkaufen müssen, denn wie wollen Sie sonst Ihr auslaufendes Darlehen von 200 000 Dollar zuzüglich Zinsen zurückzahlen? Bitte? Ja, natürlich bleiben Sie auf den restlichen 50 000 Dollar Schulden sitzen, aber Sie sind ja noch jung, das können Sie abstottern, da sind wir großzügig.«
Wie also kommen die Optimisten auf die Idee, die Immobilienkrise könne sich schnell erledigt haben? Die ganzen Abschreibungen der letzten Monate haben vermutlich noch nicht einmal den realen Ist-Zustand wiedergegeben. Was kommt da noch an Abschreibungen auf uns zu, wenn der Immobilienmarkt weitere zwei bis drei Jahre fällt, wovon unbedingt auszugehen ist?
Darauf angesprochen, reagieren die Optimisten mit den immer gleichen unterhaltsamen Argumenten: »Die Notenbank hat alles im
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