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Crashkurs

Crashkurs

Titel: Crashkurs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Müller
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genießen? Können Sie sich noch auf irgendetwas im Voraus freuen? Schnell hin, schnell genießen, hopp, hopp, wir müssen weiter.
    Genauso geht es auch mit Anschaffungen. Dem neuen Fernseher folgen die DVDs, dann drei neue Bücher (»Wann soll ich die eigentlich lesen?«, aber egal, sie sind bestimmt spannend). Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an ihre Jugend. Als sie eine neue CD oder Schallplatte »zelebriert« haben. Der Kauf war ein Ereignis. Zu Hause die Platte auf den Teller, und dann drei Stunden ungestört immer wieder genießen. Dabei jede Zeile des Begleithefts gelesen. Und in den Tagen danach immer wieder Freude an dieser einen Platte.
    Wieso hat sich das alles so verschoben? Weniger Freizeit, weniger Genuss, aber immer mehr Konsum. Was für ein Wahnsinn! Ist es nicht Zeit, »halt!« zu rufen? Ich gebe mehr Geld aus, als ich mir leisten kann, um mehr zu konsumieren, als mir guttut. Dabei schade ich mir selbst – und das nur zum Nutzen des Konsumsystems, das Konsum und Kredit so dringend benötigt wie ein Junkie seine Spritze.
    Immer mehr, immer schneller. Wie konnte es dazu kommen? Wieso haben sich die Werte so sehr verschoben, dass sich die Menschen und Märkte wie Derwische um sich selbst drehen, immer schneller im Kreis bis zur Besinnungslosigkeit und dem finalen Kollaps?
    Der Grund dieses Konsumwahnsinns liegt in unserem Wirtschaftssystem. Ein Wirtschaftssystem, das auf Zins und Zinseszins aufgebaut ist. Das Geld verzinst sich, wird mehr und mehr – und das geschieht durch den Zinseszinseffekt immer schneller. Der Zinseszinseffekt bedeutet, dass sich in den kommenden Jahren ja nicht nur das ursprüngliche Geld verzinst, sondern auch die Zinsen, die man in den Jahren zuvor kassiert hat. Die Zinsen auf die Zinsen eben oder der Zinseszins. Also ist noch mehr Geld da, das Zinsen haben will. Dazu muss es aber jemanden geben, der es sich leiht und Zinsen bezahlt. Daher brauchen wir immer neue leichtgläubige Konsumenten, die sich Geld leihen, um sich damit unnötige Dinge zu kaufen, die möglichst schnell kaputt und verschlissen sind, damit sie sich wieder neues Geld leihen. Die Industrie belächelt heute den Irrsinn vergangener Zeiten, als eine Miele-Waschmaschine zwanzig Jahre gehalten hat. So blöd wäre heute kein Hersteller mehr.
    Warum führt unser Wirtschaftssystem seit Jahrhunderten immer wieder in wirtschaftliche und schließlich auch politische Katastrophen? Alle paar Jahrzehnte muss unser Wirtschaftssystem »resettet« werden wie ein abgestürzter Computer. Und dennoch glauben die Menschen immer wieder, diesmal hätten sie endlosen Wohlstand.
    Dass ein System auf der Basis von Zins und Zinseszins nicht dauerhaft funktionieren kann, ist mit einem einfachen, aber plastischen Beispiel einfach erklärt:
    Sehen wir uns den berühmten »Josefspfennig« an. Hätte Josef vor etwas über 2000 Jahren auch nur einen einzigen Cent für seinen Sohn Jesus mit 5 Prozent Zinsen angelegt, was schätzen Sie, wie hoch das Vermögen seiner Nachkommen heute wäre? Nun, es wären sagenhafte 295 Milliarden Weltkugeln aus purem Gold. Wer es gerne wärmer hat, kann alternativ auch 888 000 Sonnen aus reinem Gold haben. Einige Monde Abweichung je nach Gold- und Wechselkurs seien mir verziehen. Ich würde gerne das Gesicht Ihres Bankberaters sehen, wenn Sie ihm sagen: »Ich habe da noch ein altes Sparbuch der Volksbank von Judäa auf dem Dachboden gefunden. Könnten Sie mir bitte die Zinsen nachtragen?«
    Sie sehen: In einem begrenzten System, wie unsere Erde es nun einmal ist, kann ein unendliches exponentielles Wachstum wie ein Zinseszinssystem schon rein logisch nicht funktionieren. Unser Wirtschaftssystem wird irgendwann kollabieren. So wie alle Systeme, die auf Zins und Zinseszins beruhen, in den vergangenen Jahrtausenden kollabieren mussten. Das ist mathematisch gar nicht anders möglich. Ein See, in dem sich die Algen ständig vermehren, kippt auch irgendwann um. Mit dem Zinssystem ist es genauso. Denn so wie auf der einen Seite das Vermögen von immer weniger Menschen immer abstrusere Dimensionen annimmt, so muss auf der anderen Seite ja auch die Verschuldung der anderen immer dramatischere Formen annehmen. Denn wer zahlt schließlich Zinsen, wenn nicht ein Schuldner?
    Mit welcher Geschwindigkeit diese Kapitalkonzentration voranschreitet, zeigt folgendes Beispiel: 1998 besaßen 10 Prozent der Deutschen etwa die Hälfte des Vermögens aller Bürger. Nur fünf Jahre später, also 2003, besitzen die

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