CRAZY LOVE - verrückt verliebt (Einführungspreis bis 15.08.12) (German Edition)
Adriana, die sich von ihrer Tätigkeit nicht ablenken ließ, gerade so, als wären Sergio und Yvo nicht anwesend.
„Hi, ähm, Lexi …“, sagte Sergio endlich und lächelte mich ein klein wenig an. „Mir hat keiner gesagt, dass du uns heute schon besuchst …“ Er blickte fragend zu Adriana, die nun inne hielt und ihn mit einer gleichgültigen Miene bedachte. „Oh, hab ich nichts erwähnt? Ich dachte, ich hätte …“
„Hi, Sergio“, sagte ich etwas beklommen. Es war schwer zu sagen, ob er etwas gegen meinen Besuch hatte oder einfach nur verstimmt darüber war, nicht rechtzeitig informiert worden zu sein.
Yvo begann mit den Handflächen auf Sergios Kopf zu klopfen und hintereinander ohne Pause „… will runter, will runter, will runter“ zu schreien.
Sergio stellte die Tüte ab und hielt nun mit beiden Händen Yvos Beine fest. „Ja, alles okay, wir gehen jetzt Hände waschen …“, sagte er mit einer samtweichen Stimme, die ich so noch nie von ihm gehört hatte. Vorsichtig drehte er sich im Türrahmen, damit sein Bruder nicht mit dem Kopf gegen die Decke stieß, und sie verschwanden wieder. Mir war aufgefallen, dass Yvo die ganze Zeit nicht ein einziges Mal Blickkontakt mit irgendeinem von uns aufgenommen hatte.
Adrianas Mutter stellte das Essen auf den Tisch. Der Bratenduft war wirklich köstlich, es waren mit Sicherheit Gewürze darin, die mir von Zuhause nicht bekannt waren. Auch der Gemüseeintopf sah vielversprechend aus und dampfte aromatisch. Adriana füllte die Gläser mit Mineralwasser.
„Wo soll ich sitzen?“, fragte ich sie.
„Wo du willst, nur bitte nicht auf Yvos Platz.“ Sie zeigte, welchen Platz sie meinte. Es war das rechte Kopfende des Tisches, das zur Wand zeigte. Ihre Mutter nahm am gegenüberliegenden Kopfende Platz. Ich setzte mich neben sie und Adriana neben mich.
Dann kam Yvo fast geräuschlos hereingetrippelt, mit gesenktem Kopf und zusammengefalteten Händen, die er dicht unter dem Kinn hielt, und setzte sich kerzengerade auf seinen Platz, den Kopf immer noch gesenkt haltend. Er murmelte ganz leise etwas vor sich hin, und Adriana lächelte mich an. „Das ist sein Tischritual“, klärte sie mich auf. „Wir haben keine Ahnung, was er da aufsagt, er spricht es immer sehr leise und völlig vernuschelt … will uns auch nichts verraten.“
Adrianas Mutter begann, für alle aufzutun.
„SERGIO! WIR FANGEN AN, KOMM JETZT“, rief sie ungeduldig und legte eine Scheibe vom Hackbraten auf jeden Teller. Adriana half mit dem Gemüseeintopf, von dem jeder eine große Schöpfkelle voll bekam. Dazu gab es in Scheiben geschnittenes Weißbrot und Paprikasalat in kleinen Schälchen.
Adrianas Mutter wünschte uns bereits „Guten Appetit“, doch keiner fing mit dem Essen an, da Sergio immer noch nicht gekommen war. Gerade wollte sie ihren Ältesten wieder rufen, als er endlich auftauchte. Er setzte sich neben Yvo, gegenüber von Adriana.
„Guten Appetit“, nuschelte er und schnitt sich gleich ein großes Stück Fleisch ab. Ich schielte zu ihm rüber, weil ich mich ständig fragen musste, ob ihn meine Anwesenheit irgendwie störte. Er würdigte mich jedenfalls keines Blickes und nahm auch nicht besonders am Tischgespräch teil. Von den Verfärbungen in seinem Gesicht war so gut wie nichts mehr zu sehen, nur ein leicht gelblicher Schatten um sein rechtes Auge herum.
Yvo aß sehr langsam und rückte immer wieder sein Wasserglas oder sein Brot zurecht. Er nahm auch jetzt mit keinem Blickkontakt auf, nur einmal tippte er auf Sergios rechten Unterarm und fuhr mit dem Zeigefinger die tätowierten Linien nach. Neben seinem großen, muskulösen Bruder sah er geradezu winzig und furchtbar zerbrechlich aus.
Adrianas Mutter fragte mich, in welchen Städten wir früher gewohnt hatten, wo es mir am besten gefallen hatte, wie ich Berlin fand, und ob ich schon mal in Serbien gewesen sei. „Nein, leider nicht“, antwortete ich. „Ich bin noch nicht viel rumgekommen.“
Das war leider wahr.
Als meine Eltern noch zusammen waren, machten wir jedes Jahr Urlaub in Südfrankreich, da ein Freund meines Vaters dort ein Haus besaß und wir für umsonst darin wohnen durften. Nach der Scheidung allerdings änderte sich für meine Mutter und mich so einiges. Keine Urlaube mehr. Wir mussten mit unserem Geld sehr sparsam umgehen. Meine Mutter hatte ständig Angst, sie könnte ihren Job verlieren oder plötzlich arbeitsunfähig werden und dann wären wir von der Stütze abhängig. Deswegen legte sie
Weitere Kostenlose Bücher