CRAZY LOVE - verrückt verliebt (Einführungspreis bis 15.08.12) (German Edition)
wirklich ehrlich und ohne Zurückhaltung, darüber, was die Trennung meiner Eltern für mich und meine Mutter bedeutet hatte: nämlich eine plötzliche Katastrophe wie ein tropischer Wolkenbruch, dem keine von uns beiden entkommen konnte und deren Folgen uns bis zum heutigen Tag zusetzten.
Meine Mutter schluchzte, gab zu, was ich längst wusste: dass sie nie aufgehört habe, meinen Vater zu lieben, ihre erste große Liebe, und dass alle anderen Männer an der Messlatte scheiterten, die er so hoch aufgehängt habe. Und natürlich waren da ihre tief eingegrabenen Schuldgefühle, ihn mit ihrer Klettenhaftigkeit und den Verlustängsten aus dem Haus getrieben zu haben, ihn verloren zu haben, an eine andere, die ihn nicht zu schätzen wisse, wie sie glaubte.
„Ihr wart sehr jung“, sagte ich und wiederholte damit nur, was ich von ihr selbst schon so oft gehört hatte. „Und Papa war noch keine zwanzig.“
Sie nickte, schnaubte sich abermals die Nase und versuchte zu lächeln. „Ich hab mich verändert, Lexi“, sagte sie schließlich mit hoffnungsvoll glänzenden Augen. „Vielleicht hat er sich ja auch verändert?“
Ganz deutlich spürte ich die furchtbare Angst in mir hochkriechen, meine Mutter wieder jahrelang an eine Illusion zu verlieren, die von der Realität so weit entfernt war, wie sie nur sein konnte. Als ob mir meine eigenen Probleme nicht reichen würden, stürzte dieses jetzt oben drauf.
Mein Vater war sicher kein schlechter Mensch, aber meine Mutter und ich spielten in seinem Leben keine besondere Rolle, das war ja wohl ganz eindeutig.
„Ich muss für die Schule lernen“, sagte ich irgendwann, müde vom Reden und Zuhören, und zog mich für den Rest des Wochenendes in mein Zimmer zurück. Ich versuchte mich mit Büchern und Musik abzulenken, aber es half nicht wirklich.
Am Dienstag, eine Woche nach dem Mathetest, gab Herr Thompson die Ergebnisse bekannt.
„Kein so schlechter Klassendurchschnitt …“, sagte er monoton. „… könnte aber besser sein!“ Er ließ den Blick über seine Brille durch die gespannte Klasse wandern und schien den Augenblick auf eine merkwürdige Art zu genießen.
„Nur zwei Einsen, meine Herrschaften: … eine Eins Plus und eine Eins Minus …“
Ein leises, ungeduldiges Murmeln ging durch die Reihen. Adriana und ich tauschten fragende Seitenblicke aus und seufzten schulterzuckend.
Herr Thompson fuhr fort: „… sieben Zweien, neun Dreien, sieben Vieren, drei Fünfen und zwei Sechsen …“
Sieben Zweien! Bei sieben Zweien war ich - mit ein bisschen Glück - vielleicht darunter? Schlimmer als eine Drei würde es aber sicher nicht werden, oder? Mein Herz begann aufgeregt zu klopfen.
Wer hätte dem pubstrockenen Herrn Thompson einen derart effektiven Spannungsaufbau bei der Bekanntgabe der Testergebnisse zugetraut? Er fing mit den schlechten Noten an und arbeitete sich Stück für Stück vor.
Und dann geschah das Unerwartete: unter den Dreien war ich nicht dabei, Adriana auch nicht. Freudig klatschten wir uns ab und warteten auf unsere Zweien.
Nun schritt Herr Thompson zu unserem Tisch und legte Adrianas Mathetest vor ihr ab, natürlich weiterhin ohne eine Gefühlsregung in seinem langen Gesicht zu offenbaren. Adriana blickte mit aufgerissenen Augen auf ihre rot markierte Zwei und jubelte los.
Herr Thompson drehte sich um und ging zu einem anderen Tisch. Verwundert sah ich ihm hinterher, denn nun waren auch alle Zweien verteilt. Oder hatte ich mich verzählt? Wo blieb mein Test?
„Eins Minus … Leon“, sagte Herr Thompson, und Leon Richter heulte laut auf: „Yess!“ Seine Faust flog in die Luft und sein Sitznachbar klopfte ihm anerkennend auf die Schulter.
Das war doch nicht möglich? Ich war die Einzige, die ihren Test noch nicht zurück bekommen hatte. Was war da los? Ich sah hilfesuchend zu Adriana. Die aber lächelte aufgeregt und biss sich auf die Lippen.
„Ich gebe zu, ich bin überrascht“, ließ Herr Thompson die Klasse wissen. Dann machte er einige Schritte auf unseren Tisch zu und hielt mir meinen Test entgegen. „Eins Plus, Alexa! Besser geht’s nicht“, sagte er, und – es war wie ein Wunder – ein Hauch eines Lächelns umspielte seine schmalen Lippen. „Gut gemacht!“
Ich war so perplex, dass mir die Worte fehlten und ich nur ungläubig auf die Note auf dem Papier vor mir starrte. Da stand tatsächlich ‚Eins Plus’ … mit einem Ausrufezeichen.
Adriana jubelte an meiner Stelle und gab mir einen schmatzenden Kuss auf
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