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Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Morgans Art, einem etwas beizubringen. Sie gab keine Befehle oder stellte Regeln auf, sondern verkündete ihre Einsichten wie heilige Botschaften. Und sie entdeckte in jeder noch so banalen Alltagshandlung eine Lehre.
    »Salat!« Sie zog einen großen Salatkopf aus einer noch größeren Plastiktüte. »Salatblätter müssen trocken sein. Sie dürfen weder schleimig sein noch dunkle Ränder haben. Hier im Last Chance brauchen wir für alles Salatblätter: als Garnierung, auf Hamburgern, in gemischtem Salat.
Ein
schlechtes Salatblatt ruiniert dir den ganzen Tag, glaub’s mir.«
    »Aha.«
    »So musst du sie schneiden.« Energisch hieb sie mit einem großen Messer auf einige Salatblätter ein. Dann reichte sie das Messer mir. »Große Stücke, aber nicht zu groß.«
    Ich hackte. Sie sah aufmerksam zu. »Gut«, meinte sie schließlich, griff aber dennoch kurz ein und führte meine Hand, wenn meine Stücke ihrer Meinung nach um eine Winzigkeit zu klein oder zu groß waren. Ich hackte weiter. »Sehr gut.«
    |64| Morgan war in allem ein gründlicher und ordentlicher Mensch. Die Zutaten für die Salatsoße maß sie immer ganz genau ab, es war ein richtiges Ritual. Isabel hingegen schmiss alles auf einmal in eine Schüssel, rührte schnell um, stippte einen Finger rein, kostete – und kam zu dem exakt gleichen Ergebnis.
    Morgan jedoch hatte für alles ihre eigene Methode.
    »Wenn du Karotten schälst, musst du das Messer von dir weg halten.« Sie führte mir vor, wie. »Zuerst schneidest du von jedem Ende einen halben Zentimeter ab. Dann steckst du sie einzeln in den Zerkleinerer. Mach nach jeweils fünf Sekunden eine kurze Pause, dadurch werden sie feiner gerieben.«
    Ich schälte, hackte und sortierte Vorräte ein. Ich lernte, wie man Kaffeetassen und Zuckerpäckchen symmetrisch aufeinander stapelt, lernte, wie man Wischtücher auf einer harten Unterlage so zusammenfaltet, dass die Kanten perfekt übereinander liegen und die saubere Seite nach oben weist. Morgan hielt den Thekenbereich blitzsauber. Jeder einzelne Gegenstand hatte seinen angestammten Platz und war ordentlich eingeräumt. Wenn sie nervös war, wuselte sie herum und schaffte Ordnung.
    »Kartons für Essen zum Mitnehmen nach
links
, Deckel für Plastikbecher nach
rechts
«, sagte sie dann jedes Mal vernehmlich und klapperte herum, während sie ihr Universum aufräumte. »Löffel mit dem Griff nach
oben
, Isabel!«
    »Jaja«, antwortete Isabel, auch jedes Mal. Wenn sie sauer war oder sich langweilte, verräumte sie Sachen absichtlich und schaute in aller Seelenruhe zu, wie lange Morgan brauchte, um sie wiederzufinden. Es war ihre |65| Art, ihrem Ärger Luft zu machen ohne sich wirklich mit Morgan zu streiten.
    Der erste Lunch – als Norman und ich auf dem Weg zur Bücherei angehalten hatten, um zu helfen – hatte einer Karussellfahrt geglichen, bei der sich Menschen, Geräusche und Teller mit Essen so lange im Kreis drehten, bis alles in eins verschwamm. Jeder machte jeden an, Isabel und Morgan flitzten mit Bestellungen durch die Gegend, Norman wendete Hamburger wie am Fließband und brüllte ständig irgendwas Unverständliches zu Bick hinüber, dem anderen Koch, der wiederum die ganze Zeit vollkommen ungerührt und gelassen seine Arbeit machte. Ich hatte Eis in Gläser geschaufelt, als ginge es um mein Leben, das Telefon ab- und Bestellungen entgegengenommen, obwohl ich keine Ahnung hatte, was genau auf der Speisekarte stand. Außerdem schaffte ich es, die Registrierkasse lahm zu legen, so dass sie eine geschlagene Viertelstunde lang bei zehntausend Dollar hängen blieb und wie verrückt piepte, bis Isabel ausrastete und mit einer Plastikkanne drauf einschlug, worauf sie wieder funktionierte. Wir hatten gemeinsam gegen den Rest der Welt gekämpft und ausnahmsweise hatte ich dazugehört, obwohl ich mich, ohne einen Schimmer, auf gut Glück durchschlagen musste. Aber mir war gar nichts anderes übrig geblieben als Getränke einzuschenken und nach dem Telefonhörer zu greifen, wenn es mal wieder wie verrückt klingelte, mir die Schnur ums Handgelenk zu wickeln, den Kugelschreiber, den Morgan mir zugeworfen hatte, aus meinem Haar zu ziehen, das ich genauso hochgesteckt hatte wie Isabel ihres, und mich weiter durchzukämpfen.
    |66| »Last Chance«, war mein Ruf gewesen, um den Krach zu übertönen. »Was kann ich für Sie tun?«
    Und jetzt machte ich das jeden Tag.
    Am Anfang hatte ich noch die totale Panik gekriegt, wenn ich nur zu einem Tisch gehen musste, an

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