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Crazy Moon

Crazy Moon

Titel: Crazy Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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dich garantiert für besser als wir alle zusammen.«
    »Das habe ich nie gesagt.« Ich spürte, wie sich meine Kehle zusammenschnürte, und sah Hilfe suchend zu Morgan. Aber sie würdigte mich keines Blickes.
    »Das brauchtest du auch gar nicht«, konterte Isabel. |223| »Gerade du müsstest wissen, dass genau das, was nicht ausgesprochen wird, am meisten wehtut.«
    Sie hatte Recht. Ich hätte mir Miras Worte von heute Morgen mehr zu Herzen nehmen sollen. Wortlos band ich meine Schürze ab, knüllte sie zusammen, stopfte sie hinter die Kaffeemaschine, marschierte an der Theke vorbei den Flur entlang und schloss mich im Klo ein.
    Ich betrachtete mein Spiegelbild: meine neue Frisur, meine neuen Augenbrauen. Mein neues Ich. Wenn Isabel wirklich Recht hatte, würde ich mir selbst nie verzeihen können. Genauso wie meine Mutter geschworen hatte die Fetten Jahre niemals zu vergessen, genauso durfte ich meine Jahre der Schande, der Beschimpfungen, der Unsicherheit nie vergessen. Und falls doch, war ich tatsächlich keinen Deut besser als Bea Williamson oder Caroline Dawes.
    Ich blickte durchs Klofenster zu Norman hinaus. Er beugte sich gerade über den Kofferraum und suchte irgendwas. Er war von Anfang an nett zu mir gewesen und das hatte sich an keinem Tag je geändert.
    Den Rest der Schicht über blieb ich für mich. Isabel verschwand irgendwann. Morgan und ich räumten auf, bevor wir das Restaurant schlossen. Norman tat das Gleiche in der Küche.
    Ich wusste nichts über ihn, außer dem, was ich gesehen und daraus für mich geschlossen hatte. Wie oft hatte ich ihn von meinem Schlafzimmerfenster aus beobachtet, wenn er seltsame Dinge in seine kleine Kellerbehausung geschleppt hatte: auf Holzplatten montierte tote Fische; die alten Hockeytrophäen eines Unbekannten; ein Stapel aufstellbarer Tabletts, auf denen die Gesichter der amerikanischen Präsidenten prangten. Und ein uraltes |224| Waffeleisen, das so schwer war, dass es ihm entglitt und mit lautem Krachen in die Vogeltränke platschte.
    Seine Porträtbilder. Sein gemächlicher Schlendergang, seine typische träge, lässige Art sich zu bewegen. Die Sonnenbrillen. Und wie ich ihn verletzt hatte ohne es zu wollen. Als ich Morgan auf Norman ansprach, lächelte sie mich an, als hätte sie die Frage längst erwartet.
    Wir besprühten gerade die Serviertabletts mit Glasreiniger und rieben sie blank. »Ach ja, unser Norman.« Sie spähte rüber in die Küche; er stand in der Kühlkammer und inspizierte einen Karton mit Zitronen. »Er ist wirklich ein Lieber.«
    »Ja«, meinte ich leise. Falls mir überhaupt jemand verzeihen konnte, dass ich mich absolut daneben benommen hatte, dann Morgan. »Kannst du mir was über ihn erzählen, über seinen Background und so? Bitte.«
    Sie stellte das Tablett ab, das sie gerade auf Hochglanz poliert hatte, und faltete ihren Putzlappen ordentlich zusammen. »Er hat elend viele Probleme mit seiner Familie«, antwortete sie ernst. »Sein Vater ist Big Norm Carswell; in Colby nennen ihn alle nur Norm den Großen. Er ist Autohändler, ihm gehört der große Laden mit dem Laserstrahl. Du weißt doch, das Geschäft direkt vor der Brücke. Seine Werbespots hast du bestimmt auch schon gesehen. Big Norm Carswell ist dieser Typ mit den weißen Haaren, der immer wild mit den Armen fuchtelt und sich fast heiser brüllt, weil er die besten Deals der Stadt anbietet.«
    »Ach, der.« Seine Spots liefen während der Wrestling-Übertragungen gleich mehrmals hintereinander. »Ja, den hab ich schon oft gesehen.«
    Morgan nickte und fuhr fort: »Jedenfalls ist er eine |225| ganz große Nummer hier bei uns in Colby. Gehört zum Stadtrat, zum Tourismusverein und so weiter. Norman hat zwei ältere Brüder, die beide in der Autohandlung mitarbeiten. Aber Norman . . .«
    Sie unterbrach sich, weil die Tür zur Kühlkammer zugeschlagen wurde, und wartete, bis Norman mit einer Handvoll Zitronen durch die Hintertür nach draußen gegangen war.
    »Auf jeden Fall«, fuhr sie mit gedämpfter Stimme fort, »ist Norman nicht der Typ, der Autohändler wird. Aber als er vor einigen Jahren meinte, er würde gerne auf die Akademie gehen, rastete sein Vater aus: Er werde ihm keinen Pfennig dafür zahlen, das sei Zeitverschwendung, so in der Art. Es war einfach lächerlich, weil Norman schon damals ein Stipendium angeboten bekam. Diesen Herbst fängt er an zu studieren. Er ist richtig gut, Colie. Du musst dir seine Sachen unbedingt mal ansehen.«
    Ich dachte an das Porträt, das

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