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Credo - Das letzte Geheimnis

Titel: Credo - Das letzte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Preston
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konnte schon die kleinste Störung – ein Blitzeinschlag, ein kaputter Transformator, unterbrochene Stromleitungen – eine Lawine von Störfällen auslösen. Doch im Großteil des Südwestens herrschte ruhiges, kühles Wetter, kaum jemand schaltete seine Klimaanlage ein, es gab keine Gewitter und nur schwachen Wind.
    Dolby hatte so ein Gefühl im Bauch – das Gefühl, dass sie heute Nacht das Problem lösen würden. Dies war die Nacht, in der Isabella sich in ihrer ganzen Pracht zeigen würde.
    »Ken, erhöhen Sie auf fünfundachtzig«, sagte Hazelius aus seinem Ledersessel in der Mitte der Brücke.
    Dolby warf St. Vincent, der die Energiezufuhr überwachte, einen Blick zu. Der koboldartige Mann reckte einen Daumen in die Luft und zwinkerte ihm zu.
    »Alles klar.«
    Am äußersten Rand seiner Wahrnehmung spürte er die schwache Vibration des gewaltigen Energiestroms. Die beiden Strahlen aus Protonen und Antiprotonen, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit in entgegengesetzte Richtungen durch den Ring kreisten, waren noch nicht zur Kollision gebracht worden. Das würde erst bei neunzig Prozent Leistung geschehen. Sobald sie erst miteinander in Kontakt standen, brauchte man wesentlich mehr Energie, wesentlich mehr Zeit und ein unendlich geschicktes Händchen für die Feinabstimmung, um das System bis auf hundert Prozent hochzubringen.
    Die Anzeigen stiegen reibungslos auf fünfundachtzig Prozent.
    »Prächtige Nacht für einen Durchlauf«, sagte St. Vincent.
    Dolby nickte und war froh, dass die Energiezufuhr St. Vincents Aufgabe war. Er war ein ruhiger, umgänglicher, älterer Mann, der selten ein Wort sprach, aber den Strom mit so viel Feingefühl kontrollierte wie ein Dirigent sein Sinfonieorchester – mit Präzision und großer Finesse. Dabei verlor er nie die Ruhe.
    »Fünfundachtzig Prozent«, meldete Dolby.
    »Alan?«, fragte Hazelius. »Was machen die Server?«
    »Hier drüben ist alles bestens.«
    Hazelius drehte wohl zum fünfzigsten Mal seine Runde durch den Kontrollraum und fragte die Meldungen seines Teams ab. Bisher war es ein Durchlauf wie aus dem Bilderbuch.
    Dolby überprüfte seine Systeme. Alles lief wie am Schnürchen. Die einzige Schwachstelle war der warme Magnet, aber »warm« war in diesem Fall auch nur drei Hundertstelgrad wärmer, als er hätte sein sollen.
    Isabella lief sich auf fünfundachtzig Prozent ein, während Rae Chen feine Justierungen an den Strahlen vornahm. In diesemfreien Augenblick sah Dolby sich im Raum um und dachte über die Gruppe nach, die Hazelius sich zusammengesucht hatte. Edelstein zum Beispiel. Dolby vermutete, der könnte sogar noch intelligenter sein als Hazelius – aber auf eine merkwürdige Art und Weise. Edelstein war verschroben, ein wenig beängstigend, als sei sein Gehirn zur Hälfte das eines Aliens. Und was sollte das mit den Klapperschlangen? Ein echt abartiges Hobby. Und dann war da Corcoran, die so ähnlich aussah wie Daryl Hannah. Sie war nicht Dolbys Typ, zu groß und zu aggressiv. Viel zu hübsch und zu blond, um so klug zu sein, wie sie es offensichtlich war … Dies war eine brillante Gruppe, sogar der Roboter Cecchini, der Dolby immer so vorkam, als würde er jeden Moment Amok laufen. Die einzige Ausnahme war Innes. Er war ein ehrlicher Kerl, der sich auch bemühte, aber einfach nicht genug Watt in der Birne hatte, um mehr als die Mitte des ausgetretenen Pfades zu beleuchten. Wie konnte Hazelius diesen Mann und seine albernen Gesprächsrunden so ernst nehmen? Oder hielt Hazelius sich nur an Regeln, die ihm das Energieministerium vorgeschrieben hatte? Waren alle Psychologen wie Innes, der seine hübschen kleinen Theorien verbreitete, ohne einen Hauch empirischer Beweise zu haben? Innes war ein Mann, der alles sah und nichts verstand. Er erinnerte Dolby an den Lastwagenfahrer, mit dem seine Mutter nach dem Tod ihres Vaters etwas gehabt hatte; ständig hatte er pseudopsychologisches Zeug geschwafelt, ein anständiger Kerl, der einem aber bei jeder Gelegenheit Ratschläge aus dem neuesten Selbsthilfe-Bestseller um die Ohren schlug.
    Dann war da noch Rae Chen. Sie war wahnsinnig klug, ging aber total entspannt damit um. Jemand hatte Dolby erzählt, dass sie als Kind Skateboard-Champion gewesen war. Sie wirkte auf ihn wie eine leicht schlampige Westküsten-Studentin, die gern Spaß hatte, immer locker und unkompliziert. Aber war sie wirklich so unkompliziert? Bei Asiaten war das schwerzu sagen. Jedenfalls hätte er nur zu gern was mit ihr angefangen.

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