Credo - Das letzte Geheimnis
säkular-humanistischer Wissenschaftler verkündet wird.«
Spates zog die Augenbrauen hoch. »Eine sehr deutliche Aussage.«
»Die ich nicht leichthin getroffen habe.«
»Erklären Sie das bitte näher.«
»Sehr gern. Diese Gruppe atheistischer Wissenschaftler verfolgt ihr eigenes Credo, die Theorie, dass das Universum sich selbst aus dem Nichts erschaffen hat, ohne jedes Eingreifen, ohne jede Triebkraft. Sie bezeichnen diese Theorie als den Urknall. Nun wissen die meisten intelligenten Menschen, darunter viele Wissenschaftler wie ich selbst, dass diese Theorie praktisch jedes wissenschaftlich haltbaren Beweises entbehrt. Die Theorie wurzelt nicht in der Naturwissenschaft, sondern in der zutiefst antichristlichen Einstellung, die unser Land heutzutage durchdringt.«
Crawley genehmigte sich einen weiteren, wärmenden Schluck Calvados. Spates lieferte auch diesmal, was er versprochen hatte. Das war verdammt gut – schiere Demagogie, verbrämt mit nüchterner, wissenschaftlich anmutender Sprache –, und zwar aus dem Mund eines anerkannten Physikers. Genau die Art von Geschwätz, die ein gewisser Teil der amerikanischen Bevölkerung liebend gerne schluckte.
»Im Laufe der letzten zehn Jahre haben Atheisten und säkulare Humanisten praktisch jede Ebene unserer Regierung sowie des universitären Systems übernommen. Sie kontrollieren jetzt die Fördergelder. Sie entscheiden, welche Forschungsarbeiten durchgeführt werden. Sie ersticken jede kritische Stimme im Keim. Dieser Wissenschaftsfaschismus durchdringt alle Fachbereiche, von Kernphysik und Kosmologie bis hin zur Biologie und, natürlich, zur Evolutionsforschung. Das sind die Wissenschaftler, die uns die atheistischen, materialistischen Theorien von Darwin und Lyell, Freud und Jung präsentieren. Das sind die Leute, die darauf beharren, dass das Leben nicht mit der Empfängnis beginnt. Das sind die Leute, die grässliche Experimente an Stammzellen durchführen wollen – an lebenden menschlichen Embryonen. Das sind die Befürworter der Abtreibung und der sogenannten Familienplanung.«
Der Mann dozierte weiter und klang dabei wie die Vernunft persönlich. Crawley ließ die Gedanken abschweifen und malte sich aus, wie er Yazzie für den doppelten Vorschuss einen neuen Vertrag unterschreiben lassen würde.
Die Sendung lief weiter, mit noch mehr Fragen und Antworten, Variationen des Themas, dann folgte der übliche Spendenaufruf, weiteres Gerede und noch mehr Aufrufe. Die Stimmen plapperten, hoben und senkten sich wie ein feierlicher Gesang. Wiederholung war das Herzstück des christlichen Fernsehens, dachte Crawley: Hämmere ihnen deineBotschaft in die dummen Schädel – und leiere ihnen ganz nebenbei noch ihr Geld aus der Tasche.
Die Kamera zoomte auf Spates, als er den Abschlusskommentar sprach. Crawley hörte nur mit halbem Ohr hin. Spates hatte bisher eine sehr gute Show geliefert, und die Vorstellung, dass die Navajo-Stammesregierung die Sendung auch verfolgte, amüsierte ihn gewaltig.
»… offensichtlich, dass Gott Seine schützende Hand nicht länger über Amerika hält …«
Crawley versank in wohliger, entspannter Wärme. Er konnte diesen Anruf am Montag um vier kaum erwarten. Er würde diesen Affen Millionen abknöpfen.
Millionen
.
»… auf die Heiden und Befürworter der Abtreibung, auf die Feministen und Homosexuellen, die sogenannte Bürgerrechtsbewegung und alle anderen, die Amerika zu säkularisieren versuchen – ich zeige mit dem Finger auf sie und sage: ›Wenn der nächste Terrorangriff kommt, tragt
ihr
die Schuld daran …‹«
Vielleicht sollte er sein Honorar sogar verdreifachen. Das wäre mal etwas, wovon er seinen Freunden im Potomac Club erzählen konnte.
»… Und jetzt haben sie einen Turm von Babel gebaut, diese
Isabella,
um Gott selbst auf Seinem Thron anzugreifen. Doch Gott ist kein Weichling: Er wird zurückschlagen …«
Crawley ließ sich tiefer in seinen köstlichen Tagtraum sinken, als ein Wort ihn plötzlich aus seinen Gedanken riss. Das Wort war »Mord«.
Er beugte sich vor. Wovon sprach Spates gerade?
»So ist es«, sagte Spates. »Aus zuverlässiger Quelle habe ich erfahren, dass einer der Top-Wissenschaftler des Isabella-Projekts, ein Russe namens Wolkonski, vor vier Nächten angeblich Selbstmord begangen haben soll. Im Vertrauen erfuhr ich jedoch, dass einige der ermittelnden Beamten nicht so sicher sind, dass es tatsächlich Selbstmord war. Es sieht immer mehrnach einem Mord aus – und der Täter kann nur
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