Credo - Das letzte Geheimnis
in die andere Richtung zu umrunden. Langsam rückte er vor, dicht an die rauhe Oberfläche des Pfeilers gedrückt, die Waffe schussbereit.
Der Schütze hatte ihren Schachzug vorausgesehen und flüchtete hinter den nächsten Pfeiler.
Eddy hob die Waffe, schoss und verfehlte ihn. Ein weiterer Schuss krachte, bevor der Mann seine Deckung erreicht hatte. Er stürzte und kroch weiter. Frost kam auf der anderen Seite hinter dem Pfeiler hervor, hielt die Waffe mit beiden Händen und gab einen zweiten und dritten Schuss auf den kriechenden Mann ab, der sich zusammenkrümmte. Dann ging Frost hinüber und schoss ihm aus nächster Nähe eine Kugel in den Kopf.
»Alles klar«, sagte er und leuchtete mit der Taschenlampe in die nächsten Stollen. »Nur einer. Die übrigen sind geflohen.«
Russell Eddy ließ die Waffe sinken und trat in die Mitte des breiten Tunnels. Leute drängten durch die offene Tür herein, füllten den Stollen, und ihre Stimmen klangen in dem beengten Raum sehr laut. Er hob die Hand. Es wurde still.
»Es ist gekommen der große Tag Seines Zorns, und wer kann bestehen?«,
rief Eddy.
Er spürte den Drang der Menge hinter sich, ihre Energie, wie ein Dynamo, der seine Entschlossenheit antrieb. Doch es waren zu viele. Er musste mit einer kleineren, mobileren, lenkbaren Gruppe dort hinein. Er drehte sich um und schrie über das knirschende Summen der Maschinen hinweg: »Ich kann nur eine kleine Gruppe mit in die Mine nehmen – nur Männer mit Schusswaffen. Habt ihr verstanden? Keine Frauen, keine Kinder. Alle Männer mit Erfahrung und einer Feuerwaffe, vortreten! Ihr Übrigen geht zurück!«
Etwa dreißig Männer drängten sich nach vorne durch.
»Stellt euch in einer Reihe auf, und zeigt mir eure Waffen! Haltet sie hoch!«
Mit einem Jubelschrei hoben die Männer ihre Waffen – Gewehre, Pistolen, Revolver. Eddy ging die Reihe entlang und musterte jeden einzelnen Mann. Er sortierte ein paar aus, die mit Repliken antiker Vorderlader bewaffnet waren, einige Teenager mit 22er-Sportgewehren und zwei Männer, die völlig durchgeknallt wirkten. Zwei Dutzend Mann blieben übrig.
»Ihr Männer kommt mit mir auf die Jagd nach dem Antichrist und seinen Jüngern. Stellt euch da hinüber.« Er wandte sich den anderen zu. »Für euch habe ich eine andere Aufgabe: Euer Platz ist dort draußen, in den Räumen, die wir eben erobert haben. Gott will, dass ihr ISABELLA ZERSTÖRT! Geht und zerstört das Tier des Abgrunds, des Name heißt Abaddon! Geht, Soldaten der Christenheit!«
Brüllend setzte sich die Menge in Bewegung, begierig darauf, auch etwas zu tun; sie strömten zurück durch die offene Tür und schwangen Vorschlaghämmer, Äxte und Baseball-schläger. Aus dem Raum hinter der Tür war bereits Krachen und Scheppern zu hören.
Die Maschine schien vor Qual aufzuschreien.
Eddy schnappte sich Frost. »Mike, Sie bleiben an meiner Seite. Ich brauche Ihre Erfahrung.«
»Ja, Pastor.«
»Also dann, Männer – gehen wir!«
71
Hazelius führte die Gruppe durch die breiten Stollen, die durch das massive Kohlenflöz getrieben worden waren. Ford bildete die Nachhut. Er ließ sich zurückfallen, spähte in die Dunkelheit und lauschte. Das Feuergefecht zwischen Wardlaw und dem Mob war beendet, doch Ford konnte die Menge, die sie offenbar durch die Tunnel verfolgte, immer noch brüllen hören.
Sie hielten sich links, wie Wardlaw gesagt hatte, gerieten aber manchmal in Sackgassen und mussten umkehren. Die Mine war riesig, das mächtige Flöz erstreckte sich endlos in drei Himmelsrichtungen. Ein Irrgarten verzweigter, sich überschneidender Stollen war in die schwarze Schicht getrieben worden, wobei man nach dem Kammerbau-System dicke Kohleblöcke hatte stehenlassen, so dass ein Labyrinth aufeinanderfolgender Kammern entstanden war; diese Räume waren auf fast zufällige, unvorhersehbare Weise miteinander verbunden. Schienen verliefen kreuz und quer über den Boden. Sie stammten noch aus den fünfziger Jahren. Rostige Karren, verrottende Seile, kaputte Maschinen und Haufen nicht verladener Kohle lagen überall herum. An tiefer gelegenen Stellen mussten sie durch kleine Teiche schleimigen Wassers waten.
Isabellas kehliges Heulen folgte ihnen durch die Tunnel wie das qualvolle Stöhnen und Bellen eines tödlich verwundetenUngeheuers. Wenn Ford stehenblieb, um zu lauschen, konnte er auch stets den Lärm ihrer Verfolger hören.
Nachdem sie eine Viertelstunde lang gerannt waren, befahl Hazelius eine kurze Rast. Sie brachen
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