Credo - Das letzte Geheimnis
gefährlich offenes Gelände, aber dahinter kam ein Geröllfeld aus größeren Brocken, die ihm Deckung boten und zwischen denen er seinen Verfolger vielleicht würde abhängen können. Er sprang von der letzten Düne und rannte über die Felsenplatte, wo Wardlaw ihn im Augenblick nicht sehen konnte.
Plötzlich erkannte er eine Chance und änderte seinen Plan. Auf halbem Wege über die Felsenplatte befand sich eine ausgespülte Mulde, in die das Mondlicht nicht hineinfiel und die gerade tief genug war, um ihn zu verbergen. Er wirbelte dorthin herum, sprang hinein und drückte sich flach an den Fels. Das war kein großartiges Versteck – Wardlaw brauchte nur zufällig den Strahl seiner Taschenlampe in seine Richtung zu lenken, um ihn zu entdecken. Doch das würde er nicht tun. Nein, er würde davon ausgehen, dass Ford sich in die hervorragende Deckung der Geröllhalde dahinter geflüchtet hatte.
Ein paar Minuten vergingen – und dann hörte er Wardlaws schnelle Schritte auf dem Gestein, und keuchende Atemzüge hetzten an ihm vorüber.
Ford zählte bis sechzig und lugte dann vorsichtig über den Rand der Mulde. Drüben zwischen den Felsbrocken konnte er Wardlaws Lichtkegel tanzen sehen, der suchend immer tiefer in den Irrgarten des Geröllfelds vordrang.
Ford sprang auf und sprintete zurück zum Nakai Valley.
Nachdem Ford über Umwege nach Hause geschlichen war, näherte er sich vorsichtig seinem Häuschen. Er umkreiste das Grundstück und vergewisserte sich, dass Wardlaw es nicht überwachen ließ, dann schlüpfte er durch die Hintertür hinein. Der Mond war untergegangen, und im Osten graute der Morgen. Der ferne Schrei eines Berglöwen hallte über die Mesa.
Er ging ins Schlafzimmer in der Hoffnung, vor dem Frühstück noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Abrupt blieb er stehen und starrte das Bett an.
Auf dem Kopfkissen lag ein Umschlag. Er hob ihn auf und zog die Nachricht heraus.
Schade, dass ich Dich verpasst habe,
stand da in großzügiger, schwungvoller Schrift. Unterzeichnet war das Briefchen mit
Melissa
.
Ford ließ den Brief zurück aufs Kissen fallen und dachte mit schiefem Lächeln, dass sich das wahre Ausmaß der Risiken bei diesem Einsatz allmählich erst herausstellte.
18
Eine Stunde später betrat Ford den Frühstücksraum und wurde vom belebenden Duft von Kaffee, Speck und Pfannkuchen empfangen. In der Tür blieb er stehen. Hier saß ein recht kleines Häuflein beisammen – mehrere Mitglieder des Teams waren unten im Bunker, andere wurden im Aufenthaltsraum vom FBI vernommen. Hazelius saß an seinem üblichen Platz am Kopf der Tafel.
Ford atmete tief durch und suchte sich einen Platz. Hatten die Wissenschaftler zuvor schon erschöpft gewirkt, so sahen sie jetzt aus wie Zombies. Sie aßen schweigend, die rotgeränderten Augen starrten ins Leere. Hazelius sah noch übler aus als die anderen.
Ford schenkte sich einen Becher Kaffee ein. Als Wardlaw ein paar Minuten später kam, beobachtete Ford ihn aus den Augenwinkeln. Im Gegensatz zu den anderen wirkte der Mann ausgeschlafen, gelassen und ungewöhnlich freundlich, denn auf dem Weg zum Tisch nickte er hierhin und dorthin.
Kate lief zwischen Tisch und Küche hin und her und brachte weitere Platten mit Essen. Ford bemühte sich, sie nicht anzustarren. Um ihn herum begann eine niedergeschlagene Unterhaltung über Nebensächlichkeiten. Niemand wollte über Wolkonski sprechen. Bloß nicht Wolkonski.
Corcoran setzte sich neben ihn. Er spürte ihren Blick,wandte sich ihr zu und sah das wissende Lächeln in ihrem Gesicht. Sie beugte sich zu ihm hinüber und fragte leise: »Wo warst du denn letzte Nacht?«
»Spazieren.«
»Schon klar.« Sie grinste anzüglich und ließ den Blick über Kate gleiten.
Sie glaubt, ich hätte was mit Kate.
Corcoran wandte sich der Gruppe zu und verkündete: »Wir kamen heute Morgen groß in den Nachrichten. Habt ihr es gesehen?«
Alle unterbrachen ihr Frühstück.
»Niemand?« Corcoran blickte sich triumphierend um. »Aber nicht das, was ihr denkt. In den Nachrichten kam nichts über Peter Wolkonski – zumindest noch nicht.«
Wieder ließ sie den Blick über die anderen schweifen und genoss die allgemeine Aufmerksamkeit. »Es geht um etwas anderes. Echt seltsam. Kennt ihr diesen Fernsehprediger Spates, der diese Riesenkirche drüben in Virginia hat? In der
Times online
war heute Morgen eine große Story über ihn und uns.«
»Spates?« Innes beugte sich über den Tisch. »Der Fernsehprediger, der mit diesen
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