CREEKERS - Thriller (German Edition)
Creekern schon seit vielen Generationen an der Tagesordnung war.
Die begleitende Abhandlung vertiefte sich zunächst in die ursächlichen Aspekte von Inzucht. In den ersten Instanzen kam bei Inzucht mit Eltern oder Geschwistern nur einer von neun Säuglingen mit Missbildungen zur Welt. Die weitere Entwicklung verlief exponentiell. Nach Generationen inzestuöser Fortpflanzung war der Genpool einer Sippe derart korrumpiert, dass Geburten ohne Komplikationen eher zur Ausnahme wurden. Der Text dokumentierte Fälle von mehreren Kollektiven, die seit Jahrzehnten keine normale Geburt mehr erlebt hatten, sich jedoch – natürlich fruchtlos – noch stärker untereinander paarten, in der irrigen Annahme, dass eine größere Anzahl von Geburten auch die Chancen auf eine seltene Normgeburt erhöhte.
Puh, ganz schön schwere Kost!, befand Phil, während er im Schein der Lampe weiterlas. Einige der Worte verursachten ihm schon beim bloßen Ansehen Kopfschmerzen.
Gerade war er über ein besonderes Prachtexemplar von Verbalmonster gestolpert: ›homöoaxiale transfektive Deflektion‹ – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen , dachte er – ein erblich bedingtes Syndrom, bei dem eine Person schwerwiegende körperliche Defekte aufwies und gleichzeitig völlig normale reproduktive Gene besaß. Oder das hier, der absolute Kracher: ›hierarchische Inselbegabung‹. Phil hatte die Passage beim ersten Lesen nur überflogen, doch nun studierte er sie aufmerksam. Es handelte sich um eine weitere Gemeinsamkeit inzestuöser Gemeinden. Durch höchst selten auftretende Kombinationen von Chromosomen (die Wissenschaft sprach von homotopem genetischem Inversionismus) kamen manche Neugeborene mit schwerwiegenden physischen Abnormitäten zur Welt, verfügten jedoch über einen normalen, häufig sogar brillanten Verstand. Diese Personen waren in den meisten Fällen für die Rolle des Anführers prädestiniert …
Natter , dachte Phil.
Um Mitternacht machte er sich zum Sallee’s auf.
Die Vorstellung, dass ein religiöser Unterbau im Spiel war, beschäftigte ihn weiterhin. Waren die Creeker wirklich ein inzüchtiger Clan, der einen Dämon anbetete? Und opferten sie tatsächlich Menschen, um diesen zu besänftigen oder um Vergebung zu bitten? Und wenn diese Annahme den Tatsachen entsprach:
War Natter der ›Priester‹ dieser ›Sekte‹?
Phil erschauerte. Die ganze Geschichte warf ein völlig neues Licht auf Natter und seinen möglichen Antrieb. Vielleicht ist er viel mehr als nur ein Zuhälter und Drogenboss , überlegte Phil. Möglicherweise ist er darüber hinaus der durchgeknallte Kopf eines Kults, der seine Anhänger zum Mord anstachelt …
Er parkte hinter dem Sallee’s. Das Gelände vor dem Club war wie üblich bis zum Anschlag mit Pick-ups vollgestopft. Die Erschütterung der lauten Musik traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, als er zur Tür hereinkam. »I’m on the Highway to Hell«, dröhnte es aus den Lautsprechern. Zigarettenqualm brannte ihm in den Augen und die Stroboskoplampen flackerten hektisch. Auf der Bühne stellte eine unansehnliche, von Tattoos vernarbte Blondine die Beweglichkeit ihrer Brustmuskeln zur Schau und spannte sie im Takt der Musik, was ihren Busen wie an unsichtbaren Schnüren auf und ab tanzen ließ. Dann sprang sie an die Messingstange auf der Bühne und glitt wie ein menschlicher Korkenzieher in Spiralen dem Boden entgegen.
Keine Sorge, Schätzchen! Nächstes Mal schaffst du die Qualifikation für Olympia . Phil zog einen Barhocker zu sich heran und in weniger als einer Sekunde stand ein frisch Gezapftes vor ihm. »Du kommst nie rechtzeitig«, beschwerte sich der Barkeeper.
»Sag’s nicht, ich hab verpasst, wie Sting Ric Flair den Arsch versohlt hat.«
»Niemals schlägt der Stinger den Nature Boy, im Leben nich’. Um der Mann zu sein …«
»Ich weiß … musst du den Mann schlagen .«
»Du hast es langsam raus«, grinste der Barmann. »Aber du hast Ravishing Rick Rude verpasst, wie er sich seinen US-Titel von Ricky the Dragon Steamboat, diesem verdammten Idioten, zurückerobert hat.«
»Tja, so läuft das im Leben meistens. Haste Eagle oder Paul gesehen?«, fragte er, um die Reaktion des Keepers abschätzen zu können.
»Nee, heute Abend noch nich’«, antwortete der sofort. Er hatte offensichtlich keine Ahnung, was vorgefallen war. »Kann ich dich heute für ’n Hotdog begeistern?«
»Später vielleicht.« Phil schüttelte innerlich den Kopf. Dann drehte er sich um, als
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