CREEKERS - Thriller (German Edition)
anzüglichen Witzen draußen.
Nur menschliche Stille und das konstante Brummen von Elektronik.
Als eine hinkende Kellnerin sie zu ihrem Tisch führte, wäre Phil beinahe hingefallen. »Jesses, das ist, als würde ich eine Augenbinde tragen – ich kann überhaupt nichts sehen!«
»Pssst!«, antwortete Eagle. »Hier drinnen herrscht Ruhe. Hausregel. Die wollen keine lauten Gespräche, Klatschen oder so ’n Scheiß.«
Sie setzten sich in den hinteren Bereich. Die Kellnerin, Hostess oder was immer sie war, schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Eagle bestellte zwei Bier bei einer anderen Frau, die sich durch die Tischreihen schlängelte. In der Dunkelheit waren ihre Entstellungen nur zu erahnen: übergroße Augen, flache, ungleichmäßige Wangenknochen und eine gespaltene Nase. Sie gab ein schwaches Grunzen von sich und glitt davon. Eagle beugte sich zu ihm herüber und flüsterte: »Du wolltest hier rein. Das Bier kostet zehn Tacken pro Nase.«
Autsch , dachte Phil. Ziemliche Abzocke . Aber war das wirklich alles, was hier passierte? Die staubige Finsternis machte ihn nervös. Er wünschte sich, er könnte die Gesichter der anderen Gäste sehen und sie mit den Fotos vergleichen, die er in den letzten Wochen auf dem Parkplatz geschossen hatte. Doch was ihm wirklich zu schaffen machte, war die absolute Stille im Publikum. Die Erwartung hing schwer in der Luft. Phil konnte sie spüren, beinahe atmen …
Die Bühne stand da wie eine einsame Kolonnade aus dunklen, wabernden Scheinwerfern.
Dann erlosch die Beleuchtung.
Himmel , dachte Phil. Sie saßen nun in völliger Dunkelheit. Alles, was Phil sehen konnte, war das stetige Auf und Ab unzähliger glühender Zigarettenspitzen. Die Musik – oder vielmehr das Geräusch – ging in einen kaum hörbaren, tiefen Ton über, den Phil in seiner Kehle vibrieren spürte. Langsam, ganz langsam schwoll er an.
Und noch langsamer erwachte die Bühnenbeleuchtung, nunmehr von einem tiefen, blutigen Rot dominiert, wieder zum Leben und breitete sich scheinbar minutenlang aus.
Doch jetzt war die einsame Bühne nicht länger leer.
Eine in durchscheinende Schleier gehüllte Frau stand reglos wie eine Schachfigur in der Säule aus rotem Licht. Die Musik begann in einer Diastole zu pulsieren wie ein schlagendes Herz. Der Klang wirkte irgendwie schwammig, nass.
Dann begann die Frau auf der Bühne, sich zu bewegen.
Sie tanzte nicht. Ihre Bewegungen erschienen mehr wie eine makabre Form von Performance-Kunst. Geschickt schwebte sie durch das Licht und die arkane Musik, ließ unsichtbare Teile ihres Schleiers fallen. Währenddessen nahm das Licht in kaum wahrnehmbaren Etappen andere Nuancen an – Algengrün, Dottergelb, leuchtendes Purpur – so träge, dass das Spektakel die Beschaffenheit eines dunklen Traums anzunehmen schien.
Am Ende war das Mädchen bis auf einen pinken, transparenten G-String völlig nackt.
Das schlammige Licht spielte mit Phils Sicht, während düstere Klänge ihn weiter ablenkten. Es war ein Trick. Zuerst fiel ihm nichts Ungewöhnliches an dem Mädchen auf, doch als er seinen Blick fokussierte, tauchten einzelne Details wie von Zauberhand auf. Ihre Gesichtszüge erschlossen sich ihm. Ihr linkes Auge war klein wie eine Murmel, das rechte groß wie eine blutrote Billardkugel. Abgesehen davon war ihr Gesicht makellos.
Doch der Rest von ihr war es nicht, wie Phil schnell bemerkte.
Mein Gott …
Ihre platten Füße endeten in jeweils nur einem Paar dicker Zehen. Auch ihre Hände wiesen jeweils lediglich zwei Finger auf. Während sie ihren Kopf zum Klang der elektronischen Totenklage wiegte, fiel ihr glänzendes schwarzes Haar für einen Moment zur Seite und enthüllte, dass sie keine Ohren besaß, nicht einmal Löcher oder Dellen, wo sie hätten sein sollen. Auch ein Bauchnabel fehlte ihr; nicht einmal eine Andeutung davon fand sich an ihrem Leib. Spitze Brüste tanzten im Licht, jede gekrönt von einem perfekten, dunklen Nippel, doch an der Seite ihres Körpers zogen sich weitere Brustwarzen den schlanken Rumpf und Unterleib entlang – ein halbes Dutzend an jeder Seite – wie die Zitzen am Bauch einer Wölfin.
Phil konnte sein Zehn-Dollar-Bier nicht mehr schmecken. Die groteske Darbietung auf der Bühne fesselte seinen Blick. So angewidert er auch war, er hätte für kein Geld der Welt wegsehen wollen. Weitere Tänzerinnen kamen und gingen, jede von ihnen mit immer auffälligeren Missbildungen, welche Eagles vorherige Schilderungen sogar noch übertrafen.
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